Washington/Charkow/Moskau. . Vor einem neuen Krisentreffen pocht Washington auf konkrete Schritte Russlands zur Deeskalation des Ukraine-Konflikts. Chefdiplomat Kerry sieht sich zu Hause scharfer Kritik ausgesetzt. Unterdessen plant die EU offenbar einen neuen Anlauf für eine diplomatische Lösung der Ukraine-Krise.
Die Außenminister Russlands, der Ukraine, der USA und die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, beraten kommende Woche über die Lage in der Ukraine. Das Treffen werde in Europa stattfinden, teilte die EU am Dienstagabend mit. Zudem plane die EU die Einrichtung einer Unterstützungsgruppe für die politische und wirtschaftliche Stabilisierung der Ukraine, heißt es in Diplomatenkreisen.
Die aus mehreren Dutzend Personen bestehende Gruppe solle mit der ukrainischen Regierung erarbeiten, welche Hilfen erforderlich seien und diese auch koordinieren, sagte ein EU-Diplomat, der namentlich nicht genannt werden wollte. Die Einrichtung der Gruppe solle am Mittwoch bekanntgegeben werden. Die Arbeit könne auf Georgien und Moldawien ausgeweitet werden, die ebenfalls eine engere Bindung an die EU anstreben.
Kerry: Russland ist Unruhestifter in der Ostukraine
Vor dem geplanten Krisentreffen haben die USA von Russland konkrete Schritte zur Entschärfung des Ukraine-Konflikts angemahnt. Die Regierung in Moskau müsse entsprechende Maßnahmen noch vor den für kommende Woche angesetzten Gesprächen ergreifen, sagte US-Außenminister John Kerry am Dienstag (Ortszeit) bei einer Senatsanhörung in Washington. Er machte dabei erneut Russland als Unruhestifter in der Ostukraine aus. Auch der Europarat erhöhte den Druck auf Moskau. Angesichts immer neuer Gewaltexzesse in der Ostukraine hatte die Regierung in Kiew zuvor eine härtere Gangart in der Region eingeschlagen.
Zu den von Kerry eingeforderten Schritten gehört ein Rückzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine sowie ein Ende der prorussischen Agitation in der Ostukraine. "Es ist klar, dass russische Spezialkräfte und Agenten der Katalysator hinter dem Chaos der vergangenen 24 Stunden waren", sagte Kerry in Washington.
Wegen der teils als zu zaghaft kritisierten Russland-Politik der US-Regierung lieferte Kerry sich dort einen Schlagabtausch mit Senatoren. Kommende Woche will er sich erneut mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow treffen, um einen Weg aus der Krise zu finden. Dabei sein sollen dieses Mal auch Vertreter der EU sowie der Ukraine.
Schwerste Krise in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs
Der Konflikt ist nach Einschätzung westlicher Beobachter die schwerste Krise in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Der Europarat erwägt, seinem Mitglied Russland das Stimmrecht zu entziehen. Die parlamentarische Versammlung des Europarats stimmt am Donnerstag darüber ab.
Truppen des ukrainischen Innenministeriums hatten zuvor in der Millionenstadt Charkow ein von prorussischen Aktivisten besetztes Verwaltungsgebäude geräumt. 70 Menschen wurden festgenommen. Wenn die gespannte Lage nicht friedlich gelöst werden könne, würden Einheiten nun gewaltsam gegen "Terroristen" vorgehen, kündigte der Chef der Präsidialverwaltung, Sergej Paschinski, an. Er forderte die prorussischen Aktivisten auf, die seit Sonntag in Donezk und Lugansk besetzten Gebäude zu räumen.
Russland warnte vor Gewalt und wies eine Verantwortung für die Lage in der Ukraine zurück. "Wir fordern, alle militärischen Vorbereitungen unverzüglich einzustellen, die einen Bürgerkrieg nach sich ziehen können", erklärte das Außenministerium in Moskau. Russland, das sich im März die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt hatte, fordert eine weitreichende Föderalisierung der Ex-Sowjetrepublik. Die Ukraine lehnt dies aus Angst vor einem Zerfall des Landes ab.
Nato-Chef warnt Russland vor Einmarsch in Ostukraine
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief Russland auf, mäßigend auf die moskautreuen Kräfte in der Ostukraine einzuwirken. "Wir sehen die Vorkommnisse dort mit zunehmender Sorge", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Insbesondere verlangte die Bundesregierung von Moskau, Einfluss auf die prorussischen Kräfte zu nehmen, damit diese "von jeder Gewaltanwendung Abstand nehmen".
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte Russland vor einem Einmarsch in das Nachbarland. "Jede weitere Bewegung in die Ostukraine hinein wäre eine ernste Verschärfung der Lage statt jener Entschärfung, die wir uns alle wünschen." Rasmussen forderte den Abzug der im Grenzgebiet zur Ukraine stationierten russischen Truppen. Nach Angaben der Nato-Militärs stehen dort 35.000 bis 40.000 einsatzbereite russische Soldaten. Die USA beorderten einen mit Flugabwehrraketen ausgestatteten Zerstörer von Spanien aus ins Schwarze Meer.
Die Nato verdreifacht angesichts der Ukraine-Krise die Zahl ihrer Kampfflugzeuge im Baltikum. Damit solle die Verteidigungskraft in Osteuropa gestärkt werden, teilte ein Nato-Vertreter am Dienstag mit. Gewöhnlich sind vier Kampfflugzeug in der Region stationiert. Die USA, die gegenwärtig die Verantwortung für die Patrouillenflüge tragen, haben diese Zahl bereits auf zehn Flugzeuge vom Typ F-15 erhöht. Ab Mai sollen zwei weitere Flugzeuge hinzukommen. Die Jets stehen bereit, um auf Verletzungen des baltischen Luftraums zu reagieren. (dpa/rtr)