Berlin. . Scheitert die Rente mit 63 am Widerstand von Unions-Abgeordneten? Schon 64 Parlamentarier haben angekündigt, das Rentenpaket in seiner derzeitigen Form abzulehnen. Darunter auch Partei-Prominente wie Julia Klöckner. Die Führung versucht, die Streithähne wieder einzufangen.
Die zum 1. Juli geplante Rente mit 63 wird zur Belastungsprobe für die Große Koalition. Schon 64 Abgeordnete von CDU und CSU im Bundestag haben angekündigt, dem Rentenpaket in der jetzigen Form nicht zuzustimmen. Mit CDU-Vize Julia Klöckner drohte am Montag sogar erstmals ein Mitglied der engsten Parteiführung damit, die Rente mit 63 notfalls ganz scheitern zu lassen.
So weit wird es kaum kommen – bislang ist die Zahl der Kritiker in der Union zu klein, um die Zwei-Drittel-Mehrheit von Schwarz-Rot im Bundestag zu gefährden. Für die Stabilität der Koalition ist der Aufruhr aber sehr bedenklich. Und Änderungen am Gesetzentwurf könnten die Ruhestands-Planung für einige Arbeitnehmer durchkreuzen.
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Die Koalitionsspitzen taten am Montag erst einmal alles, um die Debatte zu dämpfen: Kanzlerin Angela Merkel ließ ausrichten, sie stehe zu dem vom Kabinett abgesegneten Gesetzentwurf, den SPD-Ministerin Andrea Nahles vorgelegt hatte. SPD-Chef Sigmar Gabriel riet knapp von Drohungen ab, wollte sich weiter gar nicht äußern, CSU-Chef Horst Seehofer rüffelte CDU-Vize Klöckner. Der interne Gesprächsbedarf allerdings ist groß.
Was wird angerechnet?
Im Vordergrund steht die Befürchtung, die Rente mit 63 werde eine neue Frühverrentungswelle auslösen – vor allem, weil nach dem Plan von Nahles auch Zeiten von jeweils kürzerer Arbeitslosigkeit angerechnet werden sollen auf die 45 Beitragsjahre, die für die abschlagsfreie Rente ab 63 erforderlich sein sollen. Auf diese Weise, warnen nicht nur Unionspolitiker, könnten Arbeitnehmer sich bereits mit 61 Jahren kündigen lassen, zwei Jahre Arbeitslosengeld I beziehen und dann ohne Abschläge in Rente gehen.
Einerseits wiegelt das Arbeitsministerium ab, eine Frühverrentungswelle drohe gar nicht: Anders als in den 80er- und 90er-Jahren unternähmen viele Betriebe große Anstrengungen, ihre älteren Mitarbeiter zu halten. Und wer seine Arbeitslosigkeit selbst vorwerfbar herbeigeführt habe, dem drohe eine Sperrzeit von zwölf Wochen und eine Kürzung der Anspruchsdauer.
Keine saubere Lösung
Andererseits hat Nahles nach zusätzlichen rechtlichen Sicherungen gegen Missbrauch gesucht – in dem mit größter Eile erstellten Gesetzentwurf fehlt die bloß, weil ihre Beamten eine rechtlich saubere wie politisch gewünschte Lösung nicht fanden. Ungewöhnliche Konsequenz: Im Bundestag lud die Ministerin zur parlamentarischen Debatte, wie sich verfassungskonform Missbrauch verhindern lasse.
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Die Aufforderung brauchte die Union aber nicht, sie will auf jeden Fall nachbessern, das hat Fraktionschef Volker Kauder schon deutlich gemacht. Im Gespräch ist eine Stichtagsregelung etwa zum 1. Juli: Spätere Arbeitslosigkeit würde dann nicht mehr angerechnet.
Kritikern passt die Richtung nicht
Das geht der SPD bislang aber zu weit. Teile der Union würden die Zeiten anrechenbarer Arbeitslosigkeit zudem gern auf fünf Jahre begrenzen, was Nahles aber schon verworfen hat. Schließlich will die Union einen flexibleren Übergang in die Rente ermöglichen, etwa durch befristete Jobs jenseits des Rentenalters. Nahles zeigt sich hier grundsätzlich gesprächsbereit.
Die möglichen Zugeständnisse werden aber kaum ausreichen, um auch die harten Kritiker aus dem Wirtschaftsflügel und der Jungen Gruppe der Union umzustimmen, die jetzt den Ton angeben: Ihnen passt die ganze Richtung der Rente mit 63 nicht. Doch über die Reform wird im Paket abgestimmt, wer Nein sagt, lehnt auch die Mütterrente ab. Das werden sich nur wenige trauen.