Berlin. . Union und SPD streiten über Änderungen am Rentenpaket von Arbeitsministerin Andrea Nahles. Während die Union am Wochenende die geplante Anrechnung von Arbeitslosenzeiten für die Rente mit 63 ins Visier nahm, warnte die SPD vor einer Durchlöcherung des Vorhabens.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält trotz des Widerstandes in der Union an der Rente mit 63 fest, sie will einen Missbrauch der Regelung aber verhindern. Merkel stehe zu dem im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Es sei allgemeine Überzeugung, "dass es mit der Ausgestaltung dieser Rentenregelung keine Anreize zu einer neuen Frühverrentungswelle geben soll". Zur Kritik von Unionsabgeordneten an der abschlagfreien Rente mit 63 wollte sich Seibert nicht äußern.

In der Union gibt es heftige Kritik daran, dass auch Zeiten der Arbeitslosigkeit angerechnet werden sollen. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner droht der SPD mit einem Scheitern des Vorhabens. Dieses sei zwar Teil des Koalitionsvertrages, sagte Klöckner laut Vorabbericht der "Saarbrücker Zeitung" (Montagausgabe). Dort sei aber nicht vereinbart, dass die Rente mit 63 Jahren nach dem Modell von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ausgestaltet werde. Sollte die SPD das nicht verstehen, "dann gibt es wohl keine Einigung und wohl keine Rente mit 63", mahnte Klöckner.

Das Rentenpaket von Nahles, das auch die von der Union geforderte sogenannte Mütterrente beinhaltet, war am Donnerstag erstmals im Bundestags beraten worden. Die Kritik der Union entzündet sich vor allem daran, dass bei dem geplanten früheren Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren auch Zeiträume berücksichtigt werden sollen, in denen der Betroffene arbeitslos gemeldet waren.

Oppermann sieht Einigungschance im Rentenstreit mit Union

Klöckner forderte, Nahles müsse dafür sorgen, dass der Gesetzentwurf einen absehbaren Missbrauch unterbinde. Die CDU-Politikerin ergänzte, sie persönlich sei gegen jegliche Anrechnung von Arbeitslosenzeiten. "Sollte es sie dennoch geben, dann nur sehr begrenzt." Außerdem dürfe die Zeit der Erwerbslosigkeit keinesfalls am Ende eines Berufslebens stehen, wurde die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende in dem Vorabbericht zitiert. "Sonst ist die Frühverrentungswelle vorprogrammiert."

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Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann sieht trotz des massiven Widerstands in der Union gegen die Rente mit 63 Einigungschancen mit dem Koalitionspartner. "Ich glaube, wir werden uns am Ende vernünftig verständigen können - auf der Basis des Koalitionsvertrages", sagte er am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Oppermann stellte klar: "Wir wollen auch keine Frühverrentung." Es dürfe keinen Missbrauch des geplanten Vorhabens geben - weder durch Arbeitgeber noch durch Beschäftigte. "Dagegen werden wir sicherlich geeignete Regelungen finden."

SPD will bei Rentenplan hart bleiben

Die von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geplante Regelung sei für viele CDU- und CSU-Bundestagsabgeordnete ein Problem, sagte Fraktionschef Kauder (CDU) der "Bild"-Zeitung (Montag). "Dabei geht es besonders um die Anrechnung der Zeiten der Arbeitslosigkeit. Dies könnte zu einer Frühverrentungswelle führen." Die SPD will aber hart bleiben. Parteichef Sigmar Gabriel verteidigte die Reformpläne in Berlin. "Ich finde, wir müssen das offensiv verkaufen." Die Kritiker hätten in der Regel nie Schicht arbeiten müssen.

Nach den Regierungsplänen soll die Rente mit 63 nach 45 Beschäftigungsjahren möglich sein. Der Streit dreht sich nun darum, ob auch Zeiten der Arbeitslosigkeit angerechnet werden sollen. Viele in der Union sind dagegen, einige drohten am Wochenende offen damit, den Gesetzentwurf im Bundestag abzulehnen.

Unions-Fraktionschef Kauder fordert flexiblen Renteneintritt 

"Nur wenn jemand tatsächlich 45 Jahre lang Beiträge eingezahlt hat, sollte er mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen können", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs (CDU) der "Passauer Neuen Presse" am Wochenende. "Sollte es bei der Anrechnung von Arbeitslosenzeiten bleiben, werde ich gegen die Rente mit 63 stimmen." Es herrsche "ziemliche Unruhe" in der Fraktion.

Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. "Die Idee ist nicht eine Rente mit 63, sondern die Rente nach 45 Beitragsjahren", sagte sie der "Welt am Sonntag".

Kauder forderte erneut einen Stichtag, von dem an keine Zeiten der Arbeitslosigkeit mehr berücksichtigt werden. Zugleich räumte er generellen Widerstand in seiner Fraktion ein. "Leichter würde der Fraktion die Zustimmung insgesamt fallen, wenn die SPD mit einem flexibleren Renteneintritt einverstanden wäre. Dazu gehört, befristete Arbeitsverhältnisse jenseits des Renteneintrittsalters möglich zu machen."

SPD wettert gegen Koalitionspartner

Der Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, wies die Kritik der Union zurück und lehnte Änderungen ab. "Es ist erschütternd, dass es sich Teile der Union offenbar vorgenommen haben, in ihrem Kampf für die Durchlöcherung des Tarif- und Rentenpakets ihr Mütchen an den Arbeitslosen zu kühlen", sagte er "Handelsblatt Online".

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren inklusive Arbeitslosigkeit festgelegt - allerdings ohne dies zeitlich einzugrenzen. Das schwarz-rote Rentenpaket sieht nicht nur die Rente mit 63 für langjährig Versicherte vor, sondern auch die - von der Union durchgesetzten - höheren Renten für ältere Mütter sowie eine Aufstockung von Erwerbsminderungsrenten. (rtr/dpa)