Berlin. . Bei der ersten Debatte über das Vorhaben am Donnerstag im Bundestag zeigte sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) offen für Korrekturen bei der abschlagsfreien Rente mit 63. Sie trat ebenso wie die Union für Maßnahmen gegen eine Frühverrentungswelle ein. Die Opposition kritisierte das Rentenpaket als ungerecht.

So viel Protest war schon länger nicht mehr im Regierungsviertel: Um vor den Folgen der schwarz-roten Rentenpolitik für die Beitragszahler zu warnen, lassen wirtschaftsnahe Verbände Großplakate mit der Aufschrift „Rentenpaket - Annahme verweigert“ in der Berliner City aufhängen, schalten Anzeigen oder schicken Protest-Postkarten an die Bundestags-Abgeordneten.

Und auch die Grünen-Spitze lud am Donnerstag zu einer Aktion vor dem Reichstag, um ihre Kritik auch außerhalb des Parlaments zu bekräftigen: „Das Rentenpaket ist nicht gerecht - und es ist zukunftsvergessen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

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Zehn Milliarden Euro jährlich

Doch die Große Koalition zeigt sich unbeeindruckt, auch phantasievoll geäußerte Kritik verpufft: Als der Bundestag am Donnerstag die Rentenpläne erstmals beriet, war Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) die Genugtuung anzumerken über das von ihr vorgelegte Gesetzeswerk - das erste große Projekt der Koalition überhaupt. Mit den Verbesserungen erkenne die Regierung die Lebensleistung von Menschen in Deutschland an: „Es ist nicht geschenkt, es ist verdient“, sagte Nahles. Die Nutznießer hätten ihre Pflicht im Generationenvertrag erfüllt. Die Grüne Göring-Eckardt konterte: „Es geht nicht um die Lebensleistung von allen, sondern nur von manchen“.

Aus vier Teilen besteht das Rentenpaket, das jährlich etwa 10 Milliarden Euro kostet und überwiegend aus der Rentenkasse finanziert werden soll: Die abschlagsfreie Rente mit 63 soll jenen Arbeitnehmern ermöglicht werden, die mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, Zeiten jeweils kürzerer Arbeitslosigkeit sollen ebenso angerechnet werden wie Kindererziehung oder Pflege von Familienangehörigen. Allerdings wird für die Jahrgänge 1953 bis 1963 die Altersgrenze schrittweise wieder erhöht, ab Jahrgang 1964 gilt dann die Grenze von 65 Jahren.

Verschärfung des Fachkräftemangels befürchtet

Von der verbesserten Mütterrente als Anerkennung für die Kindererziehung werden nach Regierungsangaben 9,5 Millionen Frauen profitieren, deren Kinder vor 1992 zur Welt kamen: Ab 1. Juli gibt es für sie pro Kind knapp 28 Euro (im Westen) beziehungsweise 26 Euro (im Osten) mehr. Verbesserungen sind auch bei der Erwerbsminderungsrente und den Reha-Leistungen geplant.

Die Kritik innerhalb und außerhalb des Bundestags konzentriert sich zum einen darauf, dass die Leistungen, besonders die Mütterrente, nicht aus Steuermitteln bezahlt werden. Die Mütterrente aus Beitragsgeldern zu finanzieren, sei verfassungswidrig, warnte der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald. Besonders umstritten ist aber die Rente mit 63, in der Union wird ein Teil der Abgeordneten wohl nicht zustimmen. Sie befürchten ähnlich wie Wirtschaftsverbände eine Verschärfung des Fachkräftemangels und stoßen sich daran, dass Zeiten jeweils kürzerer Arbeitslosigkeit unbefristet mit angerechnet werden sollen.

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Gefahr der Frühverrentungswelle

Auch in der Koalition wird die Gefahr gesehen, dass sich Arbeitnehmer mit Unterstützung ihrer Arbeitgeber mit 61 Jahren erst arbeitslos melden und zwei Jahre später in Rente gehen. Wie eine solche Frühverrentungswelle rechtlich sauber verhindert werden kann, lässt die Koalition jetzt prüfen. Nahles sagte jedoch zu, das eilig vorlegte Gesetz bei dieser Frage noch nachzubessern: „Ich habe kein Interesse daran, dass diese Regelung ausgenutzt wird, um Frühverrentung zu fördern.“

Wirtschaftsverbände kritisiertendie Rente mit 63 indes einen großen politischen Fehler. „Sie unterläuft die erfolgreichen Anstrengungen, die Beschäftigung Älterer zu erhöhen“, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Verlierer des Rentenpakets insgesamt seien die Beitragszahler - mehrheitlich profitierten sie nicht von den zusätzlichen Leistungen, müssten sie aber mit höheren Beiträgen und einem niedrigeren Rentenniveau bezahlen. Der DGB lobt das Paket dagegen als „entscheidenden Wendepunkt in der Rentenpolitik.“