Berlin. . Lehrbetriebe benachteiligen Jugendliche allein aufgrund ihres türkischen Namens, wie Forscher statistisch belegten. Eine Studie sagt: „Wir haben ein echtes Diskriminierungsproblem“. Ein Pilotprojekt der NRW-Landesregierung hatte gezeigt, dass anonymisierte Bewerbungen die Chancengleichheit erhöhen.

Tim und Hakan stehen in den Startlöchern: zwei Zehntklässler mit Realschulabschluss und guten Noten in Mathe und Physik. Beide engagieren sich ehrenamtlich, spielen Fußball im Verein und haben ihr Praktikum ernst genommen. Wie kommt es dann aber, dass Tim nur vier Bewerbungen schreiben muss, um ein Vorstellungsgespräch für eine Lehrstelle als Kfz-Mechatroniker zu bekommen – Hakan aber sieben?

Erstmals haben Forscher statistisch belegt, dass Lehrbetriebe Jugendliche allein aufgrund ihres türkischen Namens benachteiligen. Hakan hat ein Handicap – besonders in kleinen Betrieben.

Jugendliche aus Zuwandererfamilien gehen bei der Suche nach einer Lehrstelle öfter leer aus als deutschstämmige Bewerber – schon, weil sie oft schlechtere Zeugnisse haben. Aber was, wenn sie gleich gut sind?

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Im Auftrag des Sachverständigenrats Deutscher Stiftungen (SVR) haben Forscher in einer Studie mit rund 3600 Bewerbungen bei knapp 1800 Unternehmen und Betrieben nachgewiesen: Der erste Blick auf den Namen entscheidet bereits oft über Zusage oder Absage. „Wir haben ein ernsthaftes Diskriminierungsproblem“, so Studienleiter Jan Schneider.

Anonymisierte Bewerbungen erhöhen Chancengleichheit

Ein Pilotprojekt der NRW-Landesregierung hatte vor zwei Jahren gezeigt, dass anonymisierte Bewerbungen die Chancengleichheit erhöhen – es ging dabei um Stellen in Landesbehörden und Ministerien. Auch andere Bundesländern testen gerade das Verfahren.

Laut Arbeitsministerium will Rot-Grün künftig anonymisierte Bewerbungen für Azubis im Landesdienst einführen. Die SVR-Forscher empfehlen das im Prinzip allen Betrieben, wissen aber auch: Anders als bei Großunternehmen oder Landesbehörden ist für kleine Betriebe der Aufwand für solche Verfahren derzeit viel zu groß.

Hinzu kommt: Diskriminierung findet statt – aber nicht überall gleich stark. Für die Studie haben die Forscher jeweils zwei gleich gute, fiktive Bewerbungen an Betriebe geschickt, die Lehrstellen ausgeschrieben hatten. Tim Schultheiß und Hakan Yilmaz versuchten es als Kfz-Mechatroniker, Lukas Heumann und Ahmet Aydin als Bürokaufleute.

Das Ergebnis: Tim und Lukas erhielten nicht nur häufiger Rückmeldungen als Ahmet und Hakan, sie wurden auch öfter zum Vorstellungsgespräch geladen. Bei den Kfz-Mechatronikern fiel die Diskriminierung größer aus als bei den Bürokaufleuten, bei kleinen Betrieben stärker als bei großen.

Aufwand für kleine Betriebe zu groß

Ein Grund: Größere Unternehmen haben oft professionelle Auswahlprozesse und gehen offener mit kulturellen Unterschieden um. Bei Kleinbetrieben dagegen entscheidet der Chef oft selbst – gerade sie klagen aber auch häufiger über Probleme, Azubis zu finden. Doch warum bevorzugen viele Betriebe Tim und Lukas?

Die Gründe reichen von Vorurteilen bei den Ausbildern bis zur Annahme, deutschstämmige Azubis passten besser in die Belegschaft oder würden von den Kunden eher akzeptiert. Oft spielen unbewusste Muster eine Rolle: „Man versucht immer, sich selbst einzustellen“, sagt ein Personalmanager im SVR-Bericht. „Wir wählen oft die Leute aus, die unsere Vergangenheit repräsentieren“, sagt ein anderer.

Das heißt: Deutschstämmige Ausbilder neigen oft intuitiv zu deutschstämmigen Azubis. Um das zu ändern, müsste es mehr Hakans und Ahmets geben, die die Einstellungsgespräche führen.