Washington/Brüssel/Berlin. . Am Tag nach dem Referendum auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim haben Brüssel und Washington die Konten russischer Politiker, Kreml-Berater und Militärs gesperrt. Putin selbst bleibt von den Sanktionen verschont – auch, um die Tür zum Dialog mit Moskau offen zu lassen.

Ist Dimitri Rogosin, Russlands Vize-Premier, wirklich auf den Dollar angewiesen? Kann man Wladislaw Surkow und Sergej Glasjew, zwei einflussreiche Berater von Wladimir Putin, damit treffen, dass man ihre Konten sperrt? Wie sehr wird es Valentina Matwijenko, die Vorsitzende des russischen Föderationsrats, beeinträchtigen, wenn ihr der Zugang zum amerikanischen Finanzmarkt verbaut ist?

Die Frage nach der Wirksamkeit der Sanktionen, die US-Präsident Barack Obama am Montag gegen insgesamt elf Regierungsoffizielle und Parlamentarier in Moskau und Kiew als erste Reaktion auf die Ereignisse auf der Krim erließ, brachte die Fachleute des Präsidenten bei einer Telefonrunde mit Journalisten in arge Bedrängnis.

"Wir zielen auf ihren persönlichen Reichtum"

Eine klare Antwort auf viele skeptische Fragen blieb aus. Stattdessen sagte ein Obama-Berater: „Wir denken schon, dass es starke Auswirkungen haben wird. Wir zielen auf ihren persönlichen Reichtum. Alle Konten der Betroffenen sind eingefroren, sie können keine Dollar durch USA-Banken transferieren, kein Amerikaner darf mit ihnen Geschäfte machen.“

Auch die Europäische Union dreht den Geldhahn für Krim-Politiker, Militärs und Putin-Berater zu. Neben dem Regierungschef der Krim, Sergej Aksjonow, steht der Vorsitzenden des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, auf der Strafliste – ebenso wie Rustam Temirgalijew, Krim-Vizeregierungschef, und Alexej Tschaly, der Verwaltungschef von Sewastopol.

Sorge vor neuem Krisengebiet Ostukraine

Putin selbst wurde nicht mit Sanktionen belegt. „Wir wollen die Gesprächskanäle weiter offen lassen“, heißt es in Brüssel und Deutschland. Bei allem Ringen um Diplomatie wächst allerdings die Sorge vor neuen russischen Ansprüchen auf Gebiete im Osten und Süden der Ukraine.

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„Russische Gedankenspiele über ein Eingreifen in weiteren Teilen der Ukraine sind inakzeptabel und höchst gefährlich“, warnte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern. Für diesen Fall hat die EU bereits zusätzliche Sanktionen über die am Montag gefassten Beschlüsse hinaus angedroht – diesmal auch in den Wirtschaftsbeziehungen.

Tatsächlich werden in der Ost-Ukraine Rufe nach einer Volksabstimmung über den Anschluss an Russland wie auf der Krim laut. Eine weitere Eskalation könne aber zur Spaltung Europas führen, warnte Steinmeier. Er und Kanzlerin Angela Merkel bemühen sich weiter, Russlands Präsident Putin zum Einlenken zu bewegen. Steinmeiers Sprecherin sagte: „Ob wir wollen oder nicht, wir müssen mit diesem Mann reden.“

G8-Gipfel in Gefahr

Daher setzt Berlin auf sehr bedacht abgestufte Reaktionen: Die Vorbereitungen für den G-8-Gipfel im russischen Sotschi sind zwar ausgesetzt, doch macht Merkel deutlich, dass sie das Treffen noch nicht endgültig abgesagt hat. US-Präsident Obama drohte hingegen offen damit, den Gipfel platzen zu lassen.

Anlass ist der Bericht des Sondergesandten der ukrainischen Übergangsregierung, Sergej Kunizyn, wonach 2000 russische Soldaten auf einer Militärbasis nahe der Regionalhauptstadt Simferopol gelandet sind. Obendrein beschlagnahmte die selbst ernannte Krim-Führung mehrere ukrainische Staatsunternehmen.

Obamas Anordnung sieht nun vor, auch Putins „Kumpane“ im militärisch-industriellen Komplex mit Finanz-Sanktionen zu belegen. „Wir haben einigen Spielraum zur Eskalation“, hieß es. Gilt das auch umgekehrt? US-Firmen wie Exxon Mobil, Boeing und Pepsi befürchten tatsächlich, dass Moskau Sanktionen mit Gegensanktionen beantworten werde. Im Weißen Haus hält man die Drohung für überschaubar: „Russland steht allein, nicht wir.“