Moskau. Arseni Jazenjuk ist vom Parlament in der Ukraine am Donnerstag zum neuen Regierungschef gewählt worden. Der Politiker erhielt 371 Stimmen unter anderem auch von der Partei Udar des Ex-Boxprofis Vitali Klitschko, die nicht an der neuen Regierung beteiligt ist. Im Saal waren 417 Abgeordnete.
Das Parlament in der Ukraine hat den 39 Jahre alten Arseni Jazenjuk am Donnerstag zum neuen Regierungschef gewählt. Der Gefolgsmann der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko soll das Land aus der schwersten Krise seit Jahrzehnten führen.
Der Politiker erhielt 371 Stimmen unter anderem auch von der Partei Udar des Ex-Boxprofis Vitali Klitschko, die nicht an der neuen Regierung beteiligt ist. Im Saal waren 417 Abgeordnete, von insgesamt 450. Jazenjuk führte zuletzt die Fraktion von Timoschenkos Vaterlandspartei im Parlament. Er war außerdem bereits zeitweilig Parlamentschef und Außenminister der Ex-Sowjetrepublik gewesen.
"Die Staatskasse ist leer"
Jazenjuk erhielt auch Stimmen von der Partei der Regionen des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch, der nach seiner Flucht in Russland persönlich Schutz erhalten hat.
Janukowitschs Protz-Palast
Angesichts der schweren Krise im Land hatte Jazenjuk gemeint, dass die Arbeit des neuen Kabinetts auf "politischen Selbstmord" hinauslaufe. "Die Staatskasse ist leer. Es gibt Schulden von 75 Milliarden US-Dollar", sagte Jazenjuk.
Das Gesamtvolumen von Zahlungsverpflichtungen liege aktuell bei 130 Milliarden US-Dollar. Schon seit mehr als einen Monat würden keine Renten mehr in voller Höhe ausgezahlt. Die Goldreserven des Landes seien geplündert. (dpa)
Russen wollen ukrainischen Ex-Präsidenten Janukowitsch aufnehmen
Russland gewährt dem abgesetzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Schutz auf seinem Territorium. Dem Hilfsgesuch des Politikers sei entsprochen worden, meldeten mehrere Agenturen am Donnerstag unter Berufung auf Machtstrukturen.
Zuvor hatte der abgesetzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch Russland um persönlichen Schutz für sein Leben gebeten. Er werde bedroht, sagte Janukowitsch nach einer am Donnerstag in Russland von Staatsmedien verbreiteten Erklärung. Er halte sich weiter für den legitimen Präsidenten. Alle vom Parlament in Kiew gefassten Beschlüsse seien rechtswidrig. Wo sich Janukowitsch aufhält, war unklar. Janukowitsch war Ende vergangener Woche aus Kiew geflüchtet. Russische Medien berichteten, der Flüchtige befinde sich in einem Sanatorium vor den Toren Moskaus. Es war die erste Wortmeldung von Janukowitsch seit seiner Absetzung in der vergangenen Woche.
Nach dem Machtwechsel in Kiew hatte die neue ukrainische Führung Janukowitsch zur Fahndung ausgeschrieben. Der Haftbefehl erging wegen Verdachts auf mehrfachen Mord, nachdem in Kiew bei blutigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten mehr als 80 Menschen getötet worden waren.
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Am Donnerstagmorgen hatten bewaffnete Männer das Parlamentsgebäude und den Regierungssitz auf der ukrainischen Halbinsel Krim besetzt. Bis zu fünfzig mit modernen Waffen ausgerüstete Männer seien in der Nacht in die Gebäude in der Regionalhauptstadt Simferopol eingedrungen, sagte der Regierungschef der halbautonomen Republik Krim, Anatoli Mohiljow, der Nachrichtenagentur AFP. Seine Behörden bereiteten "Maßnahmen" vor. Ein AFP-Reporter berichtete, über den Gebäuden sei die russische Flagge gehisst worden.
Auf die Fenster des Parlaments geschossen
Die Nachrichtenagentur Interfax hatte zuvor gemeldet, dutzende Männer in Uniformen ohne Rangabzeichen hätten am frühen Morgen auf die Fenster des Parlaments geschossen und die Wachen zum Verlassen des Gebäudes gezwungen. Demnach wurden die Gebäude verbarrikadiert und von der Polizei umstellt. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow erklärte, Spezialeinheiten der Polizei seien in Bereitschaft versetzt worden. Damit solle ein "Blutbad u nter der Zivilbevölkerung" vermieden werden.
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Awakow sprach von "Provokateuren" und rief dazu auf, "einen kalten Kopf" zu bewahren. Bereits am Mittwoch hatte es nahe den Gebäuden in Simferopol Zusammenstöße zwischen tausenden prorussischen Demonstranten und Anhängern der neuen proeuropäischen Führung in Kiew gegeben. Die mehrheitlich muslimische Volksgruppe der Tartaren unterstützt in dem Konflikt, der am Wochenende zum Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch führte, die proeuropäische Opposition.
Sorge vor Abspaltung des Landesteils
Die Bevölkerung der halbautonomen Republik Krim, auf der auch die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist, ist allerdings mehrheitlich russischsprachig. Nach der Absetzung Janukowitschs wuchs im Land die Sorge, dass sich russischsprachige Regionen im Süden und Osten des Landes abspalten könnten. Die Krim gehört seit 1954 zur Ukraine, doch gibt es seit längerem separatistische Tendenzen. Der Parlamentspräsident in Simferopol lehnte am Mittwoch eine Debatte über eine Sezession ab. (dpa/afp)