Jerusalem. Die Kanzlerin hat bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen eine schnelle Regelung der Altersbezüge ehemaliger jüdischer Ghetto-Arbeiter angekündigt. Nicht zuletzt „für die sehr betagten Menschen“ sei das von Bedeutung. Kompromisse will sie in der Beziehung zu Israel durch Nähe erreichen. Boykotte sind dabei für sie keine Option.

Andrea Nahles steht an der Rezeption im Hotel „King David“ und holt weit aus. „Oh, das ist eine lange Geschichte.“ Die Sozialministerin schickt sich gerade an, das Schlusskapitel zu schreiben. Wir reden über die Ghettorenten. Es geht nicht um die Holocaust-Überlebenden im engeren Sinne, sondern um die Zwangsarbeiter. „Das ist für uns von großer Bedeutung“, beteuert der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, „historisch und emotional“, fügt er hinzu.

Die Menschen haben gearbeitet und Anspruch auf Pension. Seit 2002 sind sie dazu berechtigt, aber viele fielen doch durch das Raster im Rentenrecht. Jetzt will Nahles es so vereinfachen, dass die meisten von ihnen zum Zuge kommen. Es geht um 24.000 Menschen, 20.000 in Israel. Sie sind im Durchschnitt 85 Jahre alt und kämpfen um 200 Euro im Monat. Im April will Nahles das Gesetz einbringen und vor der Sommerpause will durch den Bundestag bringen.

Merkel bekommt den höchsten Orden des Landes

Jerusalem, zweiter Tag der fünften deutsch-israelischen Konsultationen: Es wird nicht viel haften bleiben. Die Bilder aus der Residenz von Präsident Shimon Peres, als er der Kanzlerin den höchsten Orden verleiht, gehören dazu und eben die vielen kleinen Projekte und Geste. Ihre Summe macht für Merkel die Beziehungen aus. Kulturell bewegt sich mehr als in der harten Politik.

Ein Wissenschaftler sprach neulich von einer „paradoxen Hinwendung“, weil bei den jungen Leute die Kurse über die deutsche Literatur hoch begehrt sind und weil Deutsch als Sprache boomt. Sie soll ab 2015 als Fremdsprache im Schulwesen verankert werden.

Auch in der Forschung bewegt sich viel. Die Wissenschaftler arbeiten zusammen in der Krebs- und Batterieforschung, bei der IT-Technologie oder in der Elektrochemie. Es kommt ihnen zugute, dass vieles nicht so stark reglementiert ist wie in Deutschland, zum Beispiel Experimente mit Stammzellen.

Ältere Projekte werden jetzt forciert

Für die jungen Leute wurde vereinbart, das so genannte Working-Holiday-Programm zu erleichtern. Menschen mit Alter zwischen 18 und 30 Jahren sollen bei längeren Ferienaufenthalten im jeweils anderen Land eine Arbeitserlaubnis erhalten. So kurz vor dem 50. Jubiläum der deutsch-israelischen Beziehungen im Jahr 2015 werden alle Projekte forciert, die in der Pipeline waren.

Zur „harten“ Politik gehört der Friedensprozess. Und darauf haben allenfalls die Amerikaner Einfluss. Ihr Außenminister John Kerry will bis Ende März ein Rahmenabkommen mit den Israelis und Palästinensern erreichen. Die einhellige Meinung ist: Wenn es jemanden gelingt, dann Kerry. Netanjahus Erwartung an Merkel ist eindeutig: Sie soll Israel den Rücken freihalten in Europa und besonders Boykotte gegen Waren aus den besetzen Gebieten verhindern. Merkel versicherte: „Boykotte sind keine Option.“

In der Siedlungsfrage bleibt man geteilter Meinung - und beim Iran

Die Siedlungspolitik ist ein Dissens, ein anderer die Verhandlungen mit dem Iran. Netanjahu beobachtet die Gespräche über das iranische Atomprogramm mit Misstrauen. Er rät zu einem kompromisslosen Kurs: Keine Urananreicherung, keine Raketenprogramm. Null.

Frieden schloss die Koalition derweil mit sich selbst, und zwar abends an der Bar, als Punkt Mitternacht das halbe Kabinett Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum 53. Geburtstag gratulierte. Ein bisschen Frieden nach turbulenten Tagen in Berlin. Shalom.