Jerusalem. . Kanzlerin Merkel wird auf ihrer Israel-Reise vom fast kompletten Kabinett begleitet. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spricht von einem „Zeichen der Freundschaft“. Große Gesten, schöne Worte, doch der Schein trügt. Die Beziehungen sind in keinem guten Zustand. Israel fühlt sich allein gelassen.
Der Respekt steht außer Frage, die Wertschätzung auch. Davon zeugt schon der protokollarische Aufwand. Mit Ausnahme von Peter Altmaier, der im Kanzleramt die Stellung hält und von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der krank ist, begleitet das komplette Kabinett Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Jerusalem zu den fünften Regierungskonsultationen mit Israel. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spricht von einem „Zeichen der Freundschaft“.
Große Gesten, schöne Worte, doch der Schein trügt. Die Beziehungen sind in keinem guten Zustand. So empfinden es viele Israelis. Ihr früherer Botschafter in Berlin, Yoran Ben-Zeev, meint, sie seien „teilweise aus der Spur geraten“.
Merkel setzt auf Zweistaatenlösung
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kennt die Befindlichkeiten: „Israel fühlt sich oft allein gelassen und unverstanden“, schrieb er in einem Beitrag für die Zeitung „Jediot Achronot“. Israel stehe „aber gerade nicht allein“. Genau das ist das Signal der Reise. 1965 haben Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen. 2015 ist ein Jubiläumsjahr, das schon jetzt vorbereitet wird; auch das erklärt den hohen Aufwand.
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An Signalen und Projekten des guten Willens mangelt es nicht: Am Dienstag wird Staatspräsident Shimon Peres Merkel den höchsten israelischen Orden für Zivilisten verleihen, die „Presidential Medal of Distinction“. Und drei Abkommen sollen unterzeichnet werden. Es geht um eine engere, gemeinsame Entwicklungshilfe in Afrika, um einfachere Arbeits- und Reiseerlaubnisse im Jugendaustausch, nicht zuletzt wird Deutschland den Judenstaat konsularisch in solchen Ländern vertreten, in denen Israel nicht selbst präsent ist.
Es ist nicht schwer, sich in Detailfragen zu verständigen. Aber beim Grundkonflikt um die israelische Siedlungspolitik kommen beide Seiten schwerlich zusammen. Merkel hat sich vor dem Abflug noch einmal den letzten Stand geben lassen: Es gibt 148 Siedlungen in den besetzten Gebieten, davon zwölf in Ost-Jerusalem. Inzwischen leben schon 525.000 jüdische Siedler dort, und damit schafft die Regierung in Jerusalem Fakten.
In dieser Politik sieht Merkel eine Hürde, um „schnellstmöglich eine stabile Zweistaatenlösung“ zu erreichen: Für einen jüdischen und einen palästinensischen Staat. An beiden Positionen lässt Merkel keinen Zweifel aufkommen. Das ist nicht nur die deutsche, sondern auch die europäische Haltung, darauf zielen ebenso die Friedensbemühungen von US-Außenminister John Kerry ab. Die EU drängt längst zu einem robusteren Kurs: Keine Fördergelder, keine Zollvorteile für israelische Firmen oder Produkte aus den besetzten Gebieten. „Wer jetzt droht oder mit Sanktionen liebäugelt, macht alles schlimmer“, warnt Präsident Peres.
Faktisch erwarten die Israelis von Deutschland uneingeschränkte Parteinahme
Die Israelis haben den Eindruck, dass sich die Deutschen hinter Europa verstecken. Zuletzt brachte sie der (deutsche) EU-Parlamentspräsident Martin Schulz auf die Palme. Er monierte in einer Rede vor der Knesset, dem Parlament in Jerusalem, die ungleiche Verteilung von Wasser an Israelis und Palästinenser. Blöd war nur, dass er seinen Vorwurf auf ungeprüfte Zahlen stützte.
Faktisch erwarten die Israelis von Deutschland die uneingeschränkte Parteinahme. Wegen der Geschichte. Aus Staatsräson. Sie reizen die deutsch-israelischen Beziehungen aus. „Normal“ geht es zwischen beiden Staaten nie zu, und das weiß Merkel auch. Die Deutschen seien – wegen der Schoah – „aus der Geschichte heraus gegenüber dem Staat Israel“ verpflichtet. Sie bestätigt indirekt, was ein Teil der Bundesbürger – in Umfragen – vermutet oder beklagt: Eine unausgewogen pro-israelische Haltung. „Unsere Beziehungen“, sagt Ex-Botschafter Ben Zeev, „können nicht normal sein, sie sollten einzigartig und besonders bleiben.“