Velbert. . Die Landesschülervertretung NRW protestiert gegen das so genannte Turbo-Abi nach acht Jahren – der Druck für die Schüler sei zu groß, die Freizeitaktivitäten leiden darunter. Die Meinung darüber geht in Velbert auseinander. Außerdem sei nicht G8 das Problem, sondern schlechtes Zeitmanagement.
Der Unterricht bis in die Nachmittagsstunden, danach schnell die Hausaufgaben abarbeiten, zum Sport, Vokabeln pauken und vor dem Schlaf noch eben das Gitarrenstück für die Musikschule vorbereiten – laut der Schülermehrheit sehen so die Tage seit Einführung des Turbo-Abiturs aus.
Nachdem sich die Eltern lautstark gegen das neue System ausgesprochen haben, melden sich jetzt auch die Schüler zu Wort, dass sie dem Leistungsdruck kaum noch gewachsen sind. Stadtschülersprecher Nico Schmidt steht selbst kurz vor dem Abitur. Doch sieht er das Pensum gar nicht so schlimm. „Man hört öfter: Ich kann nicht, ich bin im Stress. Aber im Grunde schafft sich den jeder selbst. Es ist wichtig sich zu organisieren“, sagt der Schüler des Nikolaus-Ehlen-Gymnasiums. „Man muss wissen, was einem wichtig ist und Prioritäten setzen“, betont Nico Schmidt. Laut des Stadtschülersprechers hätten die Schüler der Klassen sechs bis neun zwar zweimal in der Woche bis 15 Uhr Unterricht, dafür zweimal auch nur bis 13 Uhr. „Da kann mir niemand erzählen, dass keine Zeit da ist“, sagt der 18-Jährige und ergänzt: „Ich selbst hatte nie ein Problem, im Gegenteil. Ich hatte mehr als genug Zeit mich meinem Cello zu widmen und mich in der Kirche zu engagieren.“ Frank Kurth, sportlicher Leiter der Jugendabteilung der SSVg Velbert 02, bemerkt auch des Öfteren, dass die jungen Fußballer zu Hause bleiben. „Das Zeitmanagement muss überarbeitet werden. Oft wird auch nur stundenlang im Internet gesurft“, vermutet Frank Kurth. Stress gäbe es laut des Stadtschülersprechers und des Leiters der Jugendabteilung nicht.
Trainingszeiten verlegt
„Den macht sich jeder selbst“, so Schmidt. Kurth ergänzt: „Die Eltern sind oft die Auslöser, weil aus dem Kind ohne Abitur nichts wird und im Sport Erfolge eingefahren werden sollen.“
Klaus Heyens, stellvertretender Leiter der Kunst- und Musikschule, kennt das Problem mit gestressten Schülern. Doch sieht der Cellist das Problem nicht in G8. „Heutzutage ist es normal, dass Schüler nicht mehr nur einem Hobby nachgehen. Sie sind meist in gleich mehreren Vereinen“, bemerkt Klaus Heyens. „Da bleibt eben nicht viel Zeit zum üben“, fügt der Cello-Lehrer hinzu. In jedem Fall müsse den Kindern Zeit gegeben werden und zur Not „wiederholen wir während der Stunde.“ Über mangelnde Zahlen jüngerer Schüler könne sich Heyens nicht beschweren, die Älteren bleiben aber zunehmend fern, da die eben mehr Zeit investieren müssten, um große Schritte zu machen.
Auch der stellvertretende Schulleiter der städtischen Gesamtschule Velbert, Jürgen Henning, spürt die Auswirkungen der Schulzeitverkürzung, obwohl an den Gesamtschulen „nur“ ein Abitur nach neun Jahren angeboten wird. „Viele Eltern entscheiden sich bewusst, damit ihre Kinder in Ruhe ihr Abitur machen können“, sagt Jürgen Henning. Wie der erste Jahrgang G8 gezeigt habe, sei die Einführung des Turbo-Abis ein voller Erfolg. „Doch zu welchem Preis, wenn für die Freizeitaktivitäten keine Zeit mehr bleibt?“, betont der Schulleiter, der in seiner Freizeit seit mehr als 30 Jahren beim Hockeyclub Velbert trainiert. „Wir haben sogar die Trainingszeiten zugunsten der Schüler verlegt.“