Gladbeck. . Vereine und andere Einrichtungen mit Angeboten für Kinder und Jugendliche spüren die Auswirkungen von Ganztagsschule und „Turbo-Abitur“ . Die Freizeit wird einfach knapper. Das spüren der Reitverein, die Musikschule und die Jugendkunstschule gleichermaßen.
Als Kind hat André eine ganze Menge ausprobiert – Fußball gespielt, Geigenunterricht genommen, geschwommen . . . Jetzt ist er in der 10. Klasse, manche Hobbys hätte er gern weiter betrieben, aber die Zeit fehlt, weil André nach acht Jahren Abitur machen muss.
G 8, Ganztagsschule: Immer häufiger dauert der Unterricht bis nachmittags. Sehr zum Leidwesen von Vereinen und anderen Einrichtungen mit Angeboten für Kinder und Jugendliche. Sie bekommen zu spüren, dass dem Nachwuchs immer weniger freie Zeit bleibt.
Klausuren statt Orchesterprobe
„Ja, man merkt deutlich, dass Kinder und Jugendliche stärker eingespannt sind als früher“, bestätigt Rolf Hilgers, der Leiter der städtischen Musikschule. Ein Instrument lernen, im Orchester mitspielen, bei Veranstaltungen auftreten – vor allem Jugendlichen auf dem Weg zum „Turbo-Abitur“ bereite das zunehmend Probleme. Hilgers: „Für Klausuren zu lernen ist dann oft wichtiger als zur Probe zu kommen.“ In seinen Augen eine fatale Entwicklung. Bei den Kleineren seien mit der Ausweitung des schulischen Ganztags die Anmeldezahlen für den Elementarunterricht zurückgegangen, einfach weil immer weniger Kinder schon um 14 Uhr kommen konnten. Hilgers ist froh, dass seit Einführung von „Jeki“ (Jedem Kind ein Instrument) der Musikunterricht in den Grundschulen stattfindet.
Der Reiterverein Gladbeck muss mit seinen Übungsstunden jonglieren. Früher kamen die Anfänger ab 14.30 Uhr. Da sind viele der jungen Reiter heute noch in der Schule. Pferdewirtschafterin Bärbel Stratmann: „Wir können jetzt erst um 15.30 Uhr starten, müssen viele Kurse auf das Wochenende verlegen. Da knubbelt es sich dann.“ Und wenn dann noch Turniere auf dem Plan stehen, wird’s ganz eng.
Auch die Jugendkunstschule musste reagieren. „Nachmittagskurse sind nicht mehr so nachgefragt wie früher“, sagt Leiterin Sybille Assmann. Deshalb liegt der Schwerpunkt mittlerweile auf Wochenend- und Ferienworkshops. Wöchentliche Angebote wie die Theatergruppen liefen zwar stabil weiter, „aber immer mal wieder fehlen Mitglieder bei Proben, weil sie in einer Klausurphase stecken. Da dauert es manchmal länger als normal, bis ein Stück wirklich sitzt.“
Beim VfL Gladbeck seien die Folgen der längeren Unterrichtszeiten noch nicht so deutlich spürbar, sagt Vorsitzender Siegberg Busch. Sorgen macht er sich eher mit Blick auf die Zukunft: „Wenn eines Tages alle Kinder in der Ganztagsbetreuung sind und die Schulen vermehrt Sportangebote am Nachmittag machen, bekommen die Sportvereine ernsthafte Probleme.“ Das schränke zum einen die Hallenzeiten für die Vereine ein, und viel gravierender noch: „Der Stellenwert der Sportvereine wird abnehmen. Und das geht dann zwangsläufig vor allem zu Lasten des Leistungssports.“