Berlin/Kiew. . Der deutsche Außenminister bewährt sich in der Ukraine als Krisenmanager. Sein Einsatz ist auch ein Beleg für die neue Rolle Deutschlands auf internationalem Parkett. Ob der Frieden in Kiew hält ist aber ungewiss.
Mehr als 20 Stunden zermürbender Verhandlungen liegen hinter Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), als in Kiew endlich die „Vereinbarung zur Lösung der Krise in der Ukraine“ unterzeichnet wird. Auch Steinmeier unterschreibt, als einer der „Zeugen“ der Verständigung zwischen Präsident Viktor Janukowitsch und den drei Oppositionsführern.
Ob die Einigung auf vorgezogene Präsidentenwahlen und eine Übergangsregierung hält, könne man noch nicht sagen, meint Steinmeier. Doch ein Erfolg war seine Mission auf jeden Fall, auch für ihn selbst: Der Minister hat sich nach nicht mal hundert Tagen im Amt mit großem persönlichen Einsatz als internationaler Krisenmanager bewährt.
Als der Minister am Donnerstag mit seinen Amtskollegen aus Polen und Frankreich, Sikorski und Fabius, in Kiew eintrifft, um im EU-Auftrag eine politische Lösung des Konflikts zu verhandeln, deutet wenig auf den Durchbruch hin. „Es hätte auch scheitern können“, sagen seine Leute.
Die letzten Meter zum Präsidialamt: zu Fuß
Die erste Begegnung mit Janukowitsch beginnt kompliziert, nach einer Irrfahrt durch Kiew erreicht das EU-Trio das abgeriegelte Präsidialamt nur zu Fuß. Aber es gelingt Steinmeier, eine Gesprächsatmosphäre zu schaffen, die weitere Verhandlungen möglich macht. Janukowitsch telefoniert in Gesprächspausen auch mit Kanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Auch interessant
Das ist am Tag darauf Stoff für Unstimmigkeiten in der Bundesregierung um die Urheberschaft des Erfolgs: Merkel habe in dem Telefonat Janukowitsch überzeugen können, das EU-Trio als Moderator zu akzeptieren, sagt ihr Sprecher. Steinmeiers Leute wollen das nicht bestätigen, der Minister glaubt vielmehr, Janukowitsch habe selbst eingelenkt – aus Angst vor dem völligen Kontrollverlust.
Merkel telefonierte mit Putin
Klar ist aber, dass Merkel später auch mit Putin und US-Präsident Barack Obama telefoniert; Putin ist bereit, den Menschenrechtsbeauftragten Vladimir Lukin als russischen Repräsentanten in die folgenden Gespräche zu entsenden. „Das war gut für die Gesprächsatmosphäre“, sagt Steinmeier.
In der Nacht zu Freitag starten weitere Gespräche mit Janukowitsch und den Oppositionsführern, erst getrennt, gegen Mitternacht dann zusammen im Präsidialamt, nun ist auch der Vertreter Russlands mit dabei. Telefonisch stimmt sich Steinmeier immer wieder mit Merkel ab. Am Vormittag endlich steht der Fahrplan zu Neuwahlen, doch erst ein Gespräch Steinmeiers und Sikorskis mit Protestgruppen auf dem Maidan macht am Mittag den Weg endgültig frei. „Das war vielleicht die letzte Chance, um einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt zu finden“, sagt Steinmeier später.
Der alte Hase und die neue deutsche Außenpolitik
Jetzt zahlt sich aus, dass er und Merkel stets den Kontakt sowohl zu Janukowitsch wie zur Opposition aufrecht erhalten haben. Viel Vertrauen hat die Bundesregierung nicht zum Präsidenten, aber ohne ihn sei keine Lösung denkbar. Und ohne Russland auch nicht.
Für Steinmeier passt da vieles zusammen. In Moskau hatte er erst kürzlich für bessere Beziehungen geworben. Mit dem Franzosen Fabius hat er längst eine enge Kooperation vereinbart. Nach nicht mal hundert Tagen kann Steinmeier so demonstrieren, was er unter neuer deutscher Außenpolitik versteht: Deutschland müsse seiner Verantwortung gerecht werden und sich außenpolitisch früher und entschlossener einbringen, hat er kürzlich erklärt.
Es zahlt sich aus, dass Steinmeier das Amt bis 2009 schon einmal ausübte; viele Akteure kennt er persönlich. Die vielen Antrittsbesuche sorgen für mediale Dauerpräsenz: So stieg er im ARD- „Deutschlandtrend“ zum beliebtesten Politiker auf, vor Merkel. Nun ist er entschlossen, dem Auswärtigen Amt neue Bedeutung zu verschaffen – auch in Konkurrenz zum Kanzleramt.