Berlin. . Wegen undurchsichtiger Rüstungsprojekte rollen im Bundesverteidigungsministerium jetzt Köpfe. Verteidigungsministerin von der Leyen zieht Konsequenzen aus den Skandalen etwa um die umstrittene Bundeswehr-Drohne. Ein Staatssekretär und ein Abteilungsleiter müssen gehen.

Von ihrem Metier hat die immer noch neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wenig Ahnung. Wer das ausnutzt, kriegt aber Ärger. Sie trennte sich gestern von einem Staatssekretär und von einem Abteilungsleiter. Nach nur zwei Monaten im Amt kam sie dahinter, dass viele Rüstungsprojekte der Bundeswehr weder Zeit- noch Finanzrahmen einhalten – und dass die schlechten Nachrichten gegenüber der Politik verschleiert werden. „Das ist kein haltbarer Zustand“, schrieb sie ihren Soldaten.

Nun will sie sich in die Materie reinknien und Sachverstand von außen holen. In drei Monaten will sie eine ehrliche Bestandsaufnahme haben. Dem eigenen Haus traut sie nur bedingt. Die CDU-Frau drückt das natürlich etwas vornehmer aus. Es gebe zwar Transparenz-Regeln, aber sie würden im Haus „nicht gelebt“. Darum rollen jetzt Köpfe: von Staatssekretär Stephane Beemelmans und von Rüstungs-Abteilungsleiter Detlef Selhausen. Beemelmans ist bereits der zweite Staatssekretär, der geschasst wird.

Mutationen der Wahrheit verärgern die Ministerin

Ein einfaches Beispiel macht von der Leyens Problem deutlich. ISIS heißt das Aufklärungssystem, das auf einer Drohne installiert wird und als fast fertig entwickelt galt. Davon ging auch der Generalin­spekteur aus. Das Fachreferat wusste es besser und erklärte, „eine belastbare Aussage“ über die Nutzbarkeit von ISIS sei nicht möglich.

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Das war nicht schön, aber zutreffend. Was dann auf dem Schreibtisch der Ministerin landete, las sich freilich anders: Die Möglichkeiten von ISIS seien „vielversprechend“, es werde die Anforderungen „erfüllen“.

Solche Mutationen der Wahrheit hatten schon Thomas de Maizière (CDU) gestört. Darum hatte von der Leyens Vorgänger entschieden, einen Rüstungsboard einzuführen. Der sollte zwei Mal im Jahr Auskunft erteilen über den Stand der Dinge. Bis heute funktioniert er nicht.

"Minderleistungen" bei Rüstungs-Beschaffungen

Als die Ministerin am Mittwoch von Konsultationen in Paris zurückkam, wusste sie schon von den nächsten Peinlichkeiten. Beemelmans hatte in einem Rüstungsprojekt eine Zahlung von 55 Millionen Euro angewiesen, ohne das Parlament zu informieren, das eigentlich alle Ausgaben ab 25 Millionen gegenzeichnen muss. Nun rief die Ministerin den Rüstungsboard zusammen und stellte Fragen. Es wurde eine zähe Sitzung – und Ursula von der Leyens Gesicht immer länger.

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Von Miguel Sanches

Einige Projekte hatten enormen Verzug: sechs, acht Jahre. Beim Hubschrauber NH90 sind wieder Mehrkosten entstanden. Bei anderen Beschaffungen ließ sich nur mühsam feststellen, wie weit sie technisch sind. Häufig ist in den Papieren von „Minderleistungen“ die Rede – ein versteckter Hinweis darauf, dass der Hersteller nicht liefert, was vereinbart (und bezahlt) wird. Oft ist wie beim brisanten Drohnenprojekt Euro-Hawk auch von „Zulassungsrisiken“ die Rede. Gern wird aus Teilaspekten vorgetragen, selbstredend nur gute Nachrichten.

Von der Leyen will Herrin im Haus sein

Es gibt im Haus keine Fehlerkultur. Die Beschaffungen sind so komplex, dass nur wenige durchblicken. Von der Leyen konnte auch nur deshalb die richtigen Fragen stellen, weil sie aus dem Haus munitioniert worden war.

Der ganze Mittwochabend war ein Lehrstück darüber, wie ein Haus funktioniert, wie es sich der Kontrolle entzieht, wie Kräfte um Einfluss ringen. Verloren hat Beemelmans, ein Vertrauter de Maizières. Am nächsten Morgen hat die Ministerin den Abgeordneten von ihren Problemen erzählt, sich ein Bild zu machen.

Da sie erst zwei Monate im Amt ist, wurde es nicht als Offenbarungseid aufgefasst, sondern als Ankündigung, durchzugreifen. Es ist nie ganz klar, ob ein Minister ein Ministerium führt oder umgekehrt. Von der Leyen will es wissen. Sie will die Herrin im Haus sein.