Washington. Die amerikanische Nonne Megan Rice ist zu knapp drei Jahren Haft verurteilt worden. Mit zwei Mitstreitern war die 84-Jährige in eine der größten Atomwaffen-Anlagen der USA eingedrungen - und hatte pazifistische Parolen an die Wände gesprüht. Für die Justiz eine Sabotage der nationalen Sicherheit.

"Bitte haben Sie keine Nachsicht mit mir", sagte Megan Rice kurz bevor Amul Taphar das Urteil verkündete, "im Gefängnis bleiben zu müssen für den Rest meines Lebens, wäre das größte Geschenk, das Sie mir machen können." Der Richter am Bezirksgericht in Knoxville im US-Bundesstaat Tennessee tat der 84-jährigen Nonne den Gefallen nicht. Rice muss für ihren spektakulären Anti-Atomprotest weniger als drei Jahre hinter Gitter. Ihre Freunde und Unterstützer hatten mindestens eine zehnjährige Freiheitsstrafe befürchtet; was angesichts des Alters der Angeklagten leicht lebenslänglich hätte bedeuten können.

Rice war im Juli 2012 mit zwei weiteren Aktivisten der Bewegung "Schwerter zu Pflugscharen" auf das hermetisch abgeriegelte Gelände einer der größten Anlagen für die Aufbereitung, Herstellung und Verschrottung von Atomwaffen in Amerika eingedrungen: Oak Ridge/Tennessee. Weil die Staatsanwaltschaft für den bis dahin beispiellosen Einbruch den Tatbestand der Sabotage der nationalen Sicherheit geltend gemacht und strenge Bestrafung gefordert hatte, musste Rice, eine in zivilem Ungehorsam seit langem erfahrenen Frau, "mit allem rechnen", wie ein Rechtsexperte dem Sender CNN sagte.

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Aus der Anlage stammten die Bomben von Nagasaki und Hiroshima

Unter dem Druck der Weltöffentlichkeit, die seit Wochen auf den Fall sah und mit Petitionen die Justiz zum Einlenken bewegen wollte, knickte Richter Taphar am Ende ein. Wegen ihrer "geringfügiger kriminellen Vergangenheit" verurteilte Taphar die Ordensfrau zu 35 Monaten. Davon werden voraussichtlich zehn Monate Untersuchungshaft abgezogen, berichteten lokale Fernsehstationen. Bei erwartbar guter Führung, so Rechtsexperten im Radio NPR, könne die Nonne womöglich schon in einem Jahr wieder auf freiem Fuß sein. Rice‘ Mitstreiter, Michael Walli (64) und Greg Boertje-Obed (58), ein pensionierter Schreiner und ein Vietnam-Veteran, müssen dagegen für knapp fünf Jahre ins Gefängnis. Für alle drei wurden dreijährige Bewährungsauflagen verhängt.

Das Trio hatte die seit Jahrzehnten existierende Anlage Y-12 in Oak Ridge, in der einst die Atombomben von Nagasaki und Hiroshima entwickelt worden waren, aus Protest gegen Obamas Nuklearwaffen-Politik in Angriff genommen. Aus der Sicht von Rice sind Atomwaffen eine "Sünde gegen die Menschheit". Sie schnitten Sicherheitszäune auf, sprühten pazifistische Parolen an die Wände einer Uran-Anreicherungsanlage, verspritzten symbolisch Blut und lösten ein paar Steine aus der Fassade.

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Religiöse Lieder bei der Festnahme

Als die Sicherheitsleute nach einer Stunde den Einbruch bemerkten, sangen die Eindringlinge religiöse Lieder und ließen sich widerstandslos festnehmen. Für die Betreiber der Anlage war die Aktion eine Schmach. Landesweit berichteten Medien, wie simpel es offenkundig ist, in eine Atomfabrik einzudringen, die sich als uneinnehmbare Hochsicherheits-Zone darstellt. Staatsanwalt Jeff Theodore sagte, die Angeklagten hätten ein "Mysterium" zerstört. Oak Ridge galt bis dahin als "Fort Knox" der Atombranche.

Richter Taphar, bei der Urteilsverkündung im vergangenen Mai noch unnahbar und strikt, betonte, dass durch den Einbruch für die nationale Sicherheit nie eine Gefahr bestanden habe und ließ am Dienstagabend eher milde Töne anklingen. Rice möge künftig bei Protesten ihren "brillanten Verstand" benutzen, ohne dabei die Gesetze des Bundesstaates Tennessee zu brechen. Ob das allerletzte Wort in dem Fall gesprochen ist, wird in Justizkreisen in Washington bezweifelt. Am 27. März trifft US-Präsident Barack Obama im Vatikan mit dem Papst Franziskus zusammen. In der Privataudienz könnte das Schicksal der tief gläubigen Pazifistin eine Rolle spielen, hieß es.