Berlin. . Nur kurz nach seinem Rücktritt als Bundestagsabgeordneter sucht die Staatsanwaltschaft bei dem SPD-Politiker nach Kinderpornos.
Die Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt. Aber der Verdacht ist nun mal in der Welt – und er macht Sebastian Edathy rasend. Man liest Bitterkeit zwischen den Zeilen, wenn der SPD-Politiker auf „Facebook“ schreibt, „ich gehe davon aus, dass die Unschuldsvermutung auch für mich gilt.“ Die Behauptung, er besitze kinderpornografische Schriften, sei „unwahr.“ Er will Strafanzeige stellen, weil ein Reporter dabei war, als seine Wohnung und sein Büro in Rehburg im niedersächsischen Landkreis Nienburg durchsucht wurden.
Das ist Edathy, wie man ihn im Bundestag kannte. Er geht einem Streit selten aus dem Weg und mit Vorwürfen offensiv um. Trotz seines Alters, 44 Jahre, ist Edathy ein alter Hase in der Politik. Er war seit 1998 im Bundestag, saß im Rechts- und Innenausschuss, machte Furore im NSU-Untersuchungsausschuss. Er weiß, die Unschuldsvermutung ist eine Sache. Eine andere Sache ist es, einen ungeheuerlichen Vorwurf aus der Welt zu schaffen, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Es fordert ihn zu einem unpassenden Zeitpunkt heraus. Edathy hatte erst zum Wochenende sein Mandat niedergelegt; Knall auf Fall, aus „gesundheitlichen Gründen“. Er war seit Wochen krankgeschrieben; schon letztes Jahr hatte er pausieren müssen. Nur Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte er seinen Schritt – am Donnerstag – erklärt.
Edathy wirkte zuletzt gehetzt, wie unter Strom
Edathy wirkte zuletzt gereizt, gehetzt, wie unter Strom, und bei der Postenvergabe der Großen Koalition war er leer ausgegangen, weshalb viele eine Enttäuschung annahmen. Aber seit Montag wird darüber spekuliert, ob die größte Kränkung und der eigentliche Grund für den Rückzug die Ermittlungen waren.
Am Wochenende wurde Edathy noch beim Einkaufen in Nienburg gesehen. Während der Durchsuchung ließ er sich nicht blicken. Auf Mails und Anrufe reagiert er nicht. Er scheint abgetaucht zu sein – bis auf die Eintragung auf Facebook. „Ich weiß nicht, wo er jetzt ist“, erzählt SPD-Fraktionsmanagerin Christine Lambrecht, „Wir sind, auch ich persönlich, zutiefst bestürzt“.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat keine Zeit verloren. Wäre er noch im Bundestag, hätte sie die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten beantragen müssen. So aber schritt sie in Rehburg und in Nienburg zur Tat, rückte mit einem Schlosser an, um sich Zugang zu Wohnung und Büro zu verschaffen. Das Lokalblatt „Die Harke“ bekam davon Wind, war zur Stelle und machte sogar Fotos.
Geleitet wurde die Aktion von Oberstaatsanwalt Thomas Klinge, der sowohl Pressesprecher als eben auch der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer oder sonst jugendgefährdender Schriften ist.
Staatsanwaltschaft schweigt
Staatsanwälte haben die Pflicht, nach allen Seiten zu ermitteln, auch zur Entlastung eines Verdächtigten. Über den Grund dieser Durchsuchung verraten sie nichts. Kein Wort über einen Anfangsverdacht. Wenn der Verdacht der Kinderpornografie erfunden ist – müsste die Justiz es nicht zu Edathys Schutz klarstellen?
Jörg Tauss fühlt sich an seinen Fall erinnert. „Offensichtlich wurde, wie bei mir, die Presse im Vorfeld über die Durchsuchungen unterrichtet“, twitterte Tauss. Edathy wird sich über den Zwischenruf kaum freuen. Der frühere SPD-Abgeordnete wurde im Mai 2010 von einer Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe wegen Besitzes, Weitergabe und Erlangen von kinderpornografischem Material verurteilt. Tauss ist überführt. Für Edathy gilt die Unschuldsvermutung.