Brüssel. Die dramatischen Ereignissen in der Ukraine überschatten den Gipfel der EU und Russlands. Staatschef Wladimir Putin ist nach Brüssel gereist, Streitthemen sind unter anderem auch die olympischen Winterspiele und politisch motivierte Prozesse. Amnesty-Chef fordert offene Kritik an Menschenrechtslage.

Belastet von Spannungen in den gegenseitigen Beziehungen kommen die EU-Spitzen in Brüssel zu einem Gipfeltreffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin zusammen. Der Chef der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Salil Shetty, rief die Europäer auf, bei dem Treffen am Dienstag deutliche Kritik an der Menschenrechtslage in Russland zu üben. Überschattet wird die Begegnung von den dramatischen Entwicklungen in der Ukraine.

EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy dürften Missstände gegenüber dem Gastgeber der Olympischen Winterspiele in Sotschi nicht nur hinter verschlossenen Türen ansprechen, sagte Shetty. "Die EU-Spitzen müssen sehr deutlich und öffentlich die Art und Weise kritisieren, wie Russland mit Schwulen und Lesben, der Zivilgesellschaft, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten umgeht."

"Beobachter zu allen Prozessen schicken"

Shetty forderte die Europäische Union auf, Menschenrechtsaktivisten in Russland stärker zu unterstützen. "Die Europäische Union sollte sicherstellen, dass Beobachter zu allen Prozessen geschickt werden", sagte der Chef von Amnesty International. "So kann Druck ausgeübt werden, damit es gerechte Prozesse gibt und Menschenrechtsstandards eingehalten werden", fügte Shetty hinzu. "Denn die Verteidiger der Menschenrechte in Russland brauchen wirklich viel Unterstützung und die Europäische Union ist in einer guten Position, diese zu leisten."

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Der Umgang mit Regierungskritikern, Journalisten oder Homosexuellen in Russland trifft in der Europäischen Union immer wieder auf Kritik. Aktuell werden die Beziehungen zwischen der EU und Russland aber besonders belastet durch den massiven Druck, mit dem die Regierung in Moskau die Annäherung früherer Sowjetstaaten wie der Ukraine an Europa zu verhindern sucht.

EU versucht mit Ukraine zu vermitteln

Die ukrainische Regierung hatte im November auf Betreiben Russlands eine politische und wirtschaftliche Annäherung an die EU und die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens gestoppt und dadurch die anhaltenden Proteste und den heftigen Konflikt zwischen Regierung und Opposition ausgelöst. Die EU versucht derzeit, zwischen beiden Seiten in Kiew zu vermitteln, was von Russland als Einmischung kritisiert wird.

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Aufgrund der Spannungen wurde das ursprünglich über zwei Tage geplante Treffen auf wenige Stunden zusammengestrichen. Putin kommt mit Außenminister Sergej Lawrow, sie werden von EU-Kommissionschef Barroso, EU-Ratspräsident Van Rompuy und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton empfangen.

Putin trage eine Mitverantwortung für Ausschreitungen in Kiew

"Putin trägt für die drohende Eskalation in Kiew klare Mitverantwortung", kritisierte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im EU-Parlament, Barbara Lochbihler (Grüne). "Entsprechend deutliche Worte muss die EU heute finden." Die EU müsse jedoch auch die Olympischen Winterspiele in Sotschi zum Thema machen.

"Seit langem ist bekannt, dass Putin zu allem bereit ist, um sich mit Sotschi ein Denkmal zu setzen: Es wurden Menschen vertrieben, friedliche Aktivisten und Journalisten verfolgt", kritisierte die Grünen-Politikerin. Die EU müsse auf die Klärung von Vorwürfen drängen, nach denen tausende Arbeiter aus ganz Russland und Zentralasien nach ihrem Einsatz zum Bau der Sportstätten in Sotschi nicht bezahlt worden seien. (afp)