Kiew. .
Rauchsäulen steigen auf über dem Majdan-Platz. Ein Video zeigt Scharfschützen auf den Dächern über dem zentralen Platz von Kiew, unweit davon seien erste Schützenpanzer aufgefahren, heißt es. Die Geschäfte in der Innenstadt sich seit dem Nachmittag geschlossen, bis zum späten Abend verharren mehr als 50 000 Menschen in Klirrender Kälte, warten hinter Barrikaden auf den Sturm der Sicherheitskräfte. Die hatten frühmorgens erstmals die Barrikade aus ausgebrannten Polizeibussen angegriffen.
Verhandlungen werden fortgeführt
Mindestens sieben Menschen sind bisher bei den Unruhen im Regierungsviertel von Kiew ums Leben gekommen. Vier wiesen Schussverletzungen auf, auch einen Herzdurchschuss, sagte ein Arzt der unabhängigen Internetzeitung „Ukrainskaja Prawda“. Am Dienstag war der Majdan-Aktivist Jurij Werbitski von Sicherheitskräften in Zivil aus einer Klinik entführt worden; seine Leiche wurde am Mittwoch in einem Waldstück in der Nähe des Flughafens entdeckt.
Am Nachmittag hatte Staatspräsident Viktor Janukowitsch Klitschko sowie die Oppositionspolitiker Arsenij Jatseniuk (Vaterlandspartei) und Oleh Tjanibok (Freiheitspartei) zum Gespräch eingeladen; zwei Stunden wurde verhandelt, Janukowitsch bot eine dringliche Parlamentssitzung an, die die kritisierten „Knebel-Gesetze“, die Einschränkungen der Bürgerrechte, widerrufen könnte. Auch eine Entlassung des Kabinetts von Premier Mykola Asarow schloss Janukowitsch nicht mehr aus. Feste Zusagen gab es keine, vereinbart wurde aber, die Verhandlungen heute fortzuführen.
Umstritten ist die Schuld am Tod der Regierungsgegner. Premierminister Asarow warf der Opposition vor: „Die Verantwortung für die Opfer, die es leider gibt, liegt bei den Organisatoren und Teilnehmern der Massenunruhen.“ Zugleich bezeichnete er alle Demonstranten als „Terroristen“. Die Opposition sprach von gezielten Erschießungen, die nichts mit Notwehr zu tun hätten. Erst am Montag hatte das Innenministerium den Gebrauch von Schusswaffen in Notfällen gestattet.
Am Mittwochabend wurden erneut mindestens 200 Demonstranten teils schwer verletzt. Notärzte operierten vor dem Parlament; 20 von ihnen, so der Internet-Sender espreso.tv, wurden von Sicherheitskräften verprügelt. Laut „Reporter ohne Grenzen“ wurden seit Sonntag 37 Journalisten verletzt, viele seien gezielt von den Sicherheitskräften attackiert worden.
Beobachter gehen davon aus, dass unter den Demonstranten auch aus Russland eingeschleuste Provokateure sind, deren Aktionen aus dem Ruder gelaufen sind.