Düsseldorf. . Die Hochschulen verschärfen ihren Widerstand gegen das geplante neue NRW-Hochschulgesetz. Die Universitätsrektoren sehen neben der Qualität von Forschung und Lehre sogar die verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit gefährdet und drohen mit Klagen. Worum geht es in dem Streit?
Von „Misstrauen“ gegenüber den Universitäten ist die Rede, vom Machtstreben des Wissenschaftsministeriums hin zu einem „monokratischen System“, von Bürokratieaufwand in Millionenhöhe und einem „Frontalangriff“ auf die Forschungsfreiheit.
Das Hochschulzukunftsgesetz der rot-grünen Landesregierung, das im Herbst in Kraft treten soll, ist von der Landesrektorenkonferenz (LRK) in einer Weise zerpflückt worden, wie man es selten erlebt. Die Professoren werfen Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) sogar vor, die Unwahrheit zu sagen. Eine Gegenüberstellung der Streitpunkte:
Der Blick in die Bilanzen
Ministerin Schulze sagt, das Land als Hauptfinanzier der Hochschulen müsse in Zeiten knapper Kassen auf größtmögliche Transparenz und effizienten Mitteleinsatz bestehen. Die 2007 geschaffene weitgehende Autonomie der NRW-Hochschulen lasse dies nicht zu.
Die Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz und Rektorin der TU Dortmund, Ursula Gather, weist das zurück: „Die Ministerin hatte und hat Einblick in unsere Mittelverwendung.“
Die Universitäten schickten 25 Bilanzberichte im Jahr an das Wissenschaftsministerium. Hochschulräte, Innenrevision, Wirtschaftsprüfer und Landesrechnungshof durchleuchteten jedes Zahlenwerk.
Die „kleinen Fächer“
Ministerin Schulze argumentiert, das Land benötige Planungskompetenz, um Rahmenvorgaben etwa zum Angebot von „kleinen Fächern“ oder zur Ausbildung von Berufsschullehrern zu machen.
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Die Universitäten erklären, dass es „im Bereich der kleinen Fächer gar keine Fehlentwicklung“ gebe. Schon auf dem herkömmlichen Weg der Abstimmung zwischen Land und Hochschulen sei es in NRW gegen den bundesweiten Trend gelungen, die Zahl der Professuren in „kleinen Fächern“ zu steigern. In Studiengängen für Berufsschullehrer übersteige das Angebot schon heute die Nachfrage.
Das Gehalt der Professoren
Ministerin Schulze behauptet, die Freiheit der Hochschulen gehe soweit, dass sie selbst nicht mehr die Gehälter der Rektoren kenne.
Die LRK-Vorsitzende Gather hält entgegen, dass die Gehälter der Professoren transparent seien. Ein Hochschulrektor in NRW bekommt inklusive „Funktions-Leistungsbezügen“ rund 130 000 Euro jährlich.
An der kurzen Leine?
Ministerin Schulze versichert, sie achte die Hochschulautonomie und wolle die Unis nicht an die kurze Leine nehmen.
Hans-Jürgen Simm, Kanzler der Universität Bielefeld, glaubt, dass sich die Ministerialbürokratie mit Rahmenvorgaben „Eingriffsoptionen“ schaffen wolle. Künftig könne theoretisch wieder von der Bürogröße des Professors bis zur Reisekostenabrechnung alles vorgeschrieben werden. Haushaltsmittel könnten „willkürlich gekürzt werden“, wenn die Hochschulen einem ministeriellen Auskunftsersuchen nicht nachkämen.
Kooperation statt Geld
Ministerin Schulze findet, Hochschulen und Land müssten enger zusammenrücken, damit weiterhin „jeder achte Steuereuro“ in Wissenschaft und Forschung fließen könne.
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Die Hochschulen beklagen eine massive Unterfinanzierung. Standen 2004 noch 9220 Euro pro Studierendem zur Verfügung, sind es heute nur noch 7550 Euro. Neben Rheinland-Pfalz, Bremen und Brandburg ist NRW damit Schlusslicht in Deutschland.
In Nordrhein-Westfalen kommen auf einen Professor 89 Studenten, im Bundesschnitt ist das Verhältnis 1:69. Ohne die bisherige Wissenschafts- und Finanzautonomie seien die Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs und der Aufstieg in die nationale Exzellenzklasse gar nicht erst möglich gewesen, argumentieren die Rektoren.
Was bleibt vertraulich?
Ministerin Schulze erklärt, ihr Gesetz wolle die Öffentlichkeit „in geeigneter Weise“ über die Finanzierung von Forschungsvorhaben informieren, wahre jedoch die Vertraulichkeit zwischen Unternehmen und Unis bei der Patententwicklung.
So genannte Drittmittel machen in NRW rund eine Milliarde Euro der Hochschulfinanzierung aus. Davon stammen zwar nur etwa 20 Prozent aus Unternehmen. Dennoch sehen die Unis rund 2500 Arbeitsplätze von jungen Wissenschaftlern in Gefahr, wenn demnächst Forschungs-Thema, -Volumen, und -Förderer veröffentlicht werden müssen. Die Wirtschaft hat bereits angedroht, in Forschungseinrichtungen anderer Bundesländer auszuweichen.