Berlin/Washington. . Im Skandal um die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA kommen sich die USA und Deutschland offenbar nicht näher. Ein derzeit verhandeltes Geheimdienstabkommen steht laut Medienberichten vom Dienstag vor dem Scheitern. Grund: Die USA sind angeblich nicht zu Zugeständnissen bereit.
Die wegen der NSA-Affäre gestarteten Verhandlungen über ein Geheimdienstabkommen zwischen Deutschland und den USA stehen einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" und des Norddeutschen Rundfunks zufolge vor dem Scheitern. Die Bundesregierung habe kaum noch Hoffnungen auf eine substanzielle Vereinbarung, berichteten beide Medien am Montagabend. "Wir kriegen nichts", zitierte die "SZ" aus deutschen Verhandlungskreisen. Demnach verweigern die USA sogar die Zusage, künftig keine deutschen Regierungsmitglieder und politischen Amtsträger mehr abzuhören.
In den vergangenen Monaten hatte das Weiße Haus die deutschen Hoffnungen auf ein weitreichendes No-Spy-Abkommen bereits gedämpft. Vertreter der Regierung von Präsident Barack Obama ließen durchblicken, dass die US-Geheimdienste ein gegenseitiges Überwachungsverbot nicht ernsthaft in Erwägung zögen. Die "New York Times" berichtete dann im Dezember, Obamas Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice habe Berlin wissen lassen, dass Washington auf keinen Fall einen Präzedenzfall schaffen wolle. Wenn Deutschland eine Sonderbehandlung durch die NSA bekäme, werde dies auch bei anderen Staaten Begehrlichkeiten wecken.
US-Geheimdienste sind angeblich zu keinen Zugeständnissen bereit
Laut "SZ" und NDR sind die US-Geheimdienste offenbar zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Demnach weigern sich die USA beispielsweise weiterhin mitzuteilen, seit wann das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgespäht wurde. Washington gebe auch keine Auskunft darüber, ob weitere deutsche Spitzenpolitiker abgehört wurden oder abgehört werden. Forderungen des Verfassungsschutzes, deutschen Experten Zutritt zu einer vermuteten Abhörstation von US-Geheimdiensten im Obergeschoss der Botschaft am Pariser Platz in Berlin zu gewähren, lehnen die USA den Angaben zufolge ab.
Beim Bundesnachrichtendienst (BND), der mit den Verhandlungen beauftragt ist, herrsche große Enttäuschung. BND-Präsident Gerhard Schindler soll intern erklärt haben, bei diesem Stand lieber auf ein Abkommen zu verzichten, als es zu unterzeichnen. Nach ersten positiven Signalen habe Berlin eigentlich mit einem schnellen Abschluss der Verhandlungen gerechnet, schrieb die "SZ". Mit der US-Seite seien im August mündlich "Zusicherungen" verabredet worden, nach denen es "keine gegenseitige Spionage, keine wirtschaftsbezogene Ausspähung und keine Verletzung des jeweiligen nationalen Rechts" geben dürfe. "Die Amerikaner haben uns belogen", zitierte die Zeitung einen ranghohen deutschen Beamten.
"Die vertraulichen Gespräche dauern an"
Die Regierung in Berlin wollte den Bericht nicht kommentieren. "Die Bundesregierung ist in Gesprächen mit den US-Partnern, um die Zusammenarbeit unserer Dienste auf eine neue Grundlage zu stellen", sagte eine Sprecherin auf Anfrage. "Diese vertraulichen Gespräche dauern an", fügte sie hinzu. In der vergangenen Woche hatte Obama nach monatelanger offizieller Funkstille Merkel angerufen und die Kanzlerin nach Washington eingeladen. Merkel nahm die Einladung an, der Besuch soll in den kommenden Monaten stattfinden.
Seit Juni kamen durch die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden eine Reihe von Spähaktivitäten der NSA und verbündeter Geheimdienste ans Licht. So hörte die NSA nicht nur Merkel und andere Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten ab, sondern spionierte massenhaft E-Mails und Telefonate von unbescholtenen Bürgern rund um die Welt aus. Vor allem in Deutschland löste das Ausmaß der NSA-Überwachung Empörung aus. (afp)