Washington. .

Das „Laboratorium für physikalische Wissenschaften“ am Greendmead Drive in College Park ist ein unauffälliges Büro-Gebäude wie es im Speckgürtel der amerikanischen Hauptstadt dutzendfach auf der grünen Wiese steht. Hier, so schreibt die „Washington Post“ unter Berufung auf den ehemaligen NSA-Angestellten Edward Snowden, lässt der US-Geheimdienst an seiner schärfsten Waffe basteln: ein Super-Computer, der unter Ausnutzung der Quantenmechanik die unvorstellbaren Datenberge der NSA in Rekordzeit durchforsten und nahezu alle gängigen Verschlüsselungs-Technologien überwinden kann.

Nichts, schreibt der Autor und Snowden-Experte Barton Gellman, wäre dann mehr sicher vor dem Spähangriff der „National Security Agency“: keine Bank, keine Regierung, keine Behörde. Der einzelne Bürger sowieso nicht. Big Brother in XXL hoch zwei sozusagen. Aber was davon ist Zukunftsmusik und was im Zustand technologischer Frühreife?

Laut Unterlagen, die Snowden der Zeitung zur Verfügung stellte, steht ein mit 80 Millionen Dollar finanziertes NSA-Forschungsprogramm ganz im Dienst der hoch komplizierten Sache, über die die Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman einmal sagte: „Wenn du denkst, du verstehst die Quantenmechanik, verstehst du sie nicht.“ Eine gängiges Erklärungsmuster geht so: Im Gegensatz zu herkömmlichen Rechner-Bausteinen in Computern, die nur einen Ladungszustand kennen (1 oder 0), sollen die kleinsten Bestandteile eines Quantencomputers in der Lage sein, verschiedene Informationen gleichzeitig abzubilden. Also: 1 = 0. Und 0 = 1.

Ziel des NSA-Programms „Penetrating Hard Targets“ (in harte Ziele eindringen) ist die Schaffung dieser Siebenmeilenstiefel für das Lösen komplexer Rechenaufgaben: Was einen herkömmlichen Computer unzählige Rechenschritte kostet, könnte ein Quanten-Computer millionenfach schneller bewältigen. Binnen eines Wimpernschlages würde er Datenbanken nach einem Schlüsselbegriff durchsuchen können. Genau das, was die NSA benötigt, seit sie zur Terror-Gefahrenabwehr nicht nur weltweit den Telefon- und Internetverkehr überwacht. Sondern die Daten trillionenfach speichert. Sollten gewaltige Rechenleistungen künftig intelligenter bearbeitet werden können, wären Verschlüsselungsverfahren wertlos, die heute noch als sicher angesehen werden, warnen Kritiker.

Die NSA ist nicht allein

In der Kryptographie gilt ein Code als sicher, wenn er in einer sinnvollen Zeitspanne nicht entschlüsselt werden kann. Gegenüber der „Washington Post“ nannte der Forscher Scott Aaronson vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) dieses Beispiel: Danach hätten Wissenschaftler fast zwei Jahre und Hunderte Rechner gebraucht, um die Primzahlen zu identifizieren, aus denen sich ein 768 Bit großer Schlüssel zusammensetzt. Um einen 1024-Bit-Schlüssel zu überwinden, der weltweit beim Online-Banking zum Einsatz kommt, bräuchte es rechnerisch 2000 Jahre. Die NSA hat nicht so viel Zeit.

Außerdem ist sie nicht allein. Zivile Forscherteams, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz, beschäftigen sich ebenfalls mit dem Thema. Auf dem Weg, die digitalen Grundbausteine zu überwinden, soll die kanadische Firma D-Waves am weitesten sein. Sie hat bereits an Google und den Flugzeugbauer Lockheed Geräte ausgeliefert.

Was den Wissensvorsprung der NSA angeht gibt es nur Spekulationen. Frühestens in fünf Jahren sei mit Fortschritten zu rechnen, sagte Forscher Aaronson und mutmaßte: Wenn die NSA den Supercomputer bereits hätte, dann müsste sie nicht Konzerne wie Microsoft und Google dazu zwingen, technische Hintertüren in ihre Programme einzubauen, durch die der Geheimdienst seine Schnüffel-Software einschleust.