Jerusalem. Was für israelische Patrioten einem Mythos gleichkommt, ist für viele Palästinenser "die Katastrophe": Die Gründung des Staates Israel. 700.000 Palästinenser wurden 1948 heimatlos. Diese Vertreibung soll nach dem Willen des Bildungsministeriums nun aus den Schulbüchern gestrichen werden.
Die Vertreibung von Palästinensern nach der israelischen Staatsgründung 1948 soll in den Schulbüchern des Landes nicht mehr thematisiert werden. Die am Mittwoch verfügte Anweisung des Bildungsministeriums in Jerusalem gilt für israelische Araber, die rund ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, aber kaum gemeinsam mit jüdischen Kindern unterrichtet werden. In ihrem Geschichtsbuch für die dritte Klasse werden die damaligen Ereignisse gemäß palästinensischer Lesart als «Nakba» (arabisch: Katastrophe) bezeichnet.
Politisches Hin und Her
«Kein anderes Land der Welt würde seine eigene Gründung im offiziellen Lehrplan als Katastrophe behandeln», rechtfertigte Bildungsminister Gideon Saar vom rechten Flügel des regierenden Likud-Blocks seine Entscheidung. Die Verwendung des Begriffs «Nakba» in dem Schulbuch war erst 2007 von der damaligen Ressortchefin Juli Tamir von der linksliberalen Arbeitspartei genehmigt worden. Dies löste damals Empörung unter den Falken im israelischen Parlament aus.
Die nunmehr verfügte Umkehr wiederum stieß auf scharfe Kritik der Tauben sowie der Araber. Der frühere Bildungsminister Jossi Sarid vom linksgerichteten Meretz-Block warf Saar vor, seine Entscheidung aus reiner innerer Unsicherheit heraus getroffen zu haben. Der israelische Staat brauche sich jedoch nicht vor einem Wort zu fürchten. Der arabische Abgeordnete Hana Sueid sprach von einem «schweren Angriff auf die Identität der palästinensisch-arabischen Staatsbürger Israels».
700.000 Palästinenser geflohen oder vertrieben
Zur Zeit der Staatsgründung Israels wurden mehr als 700.000 Palästinenser vertrieben oder flohen in Nachbarländer. In Geschichtsbüchern der israelischen Juden ist lediglich von einem freiwilligen Auszug die Rede - wenn dieses Thema überhaupt erwähnt wird. Die Zahl der damaligen Flüchtlinge und ihre Nachkommen liegt heute bei vier Millionen. Sie alle beanspruchen ein Rückkehrrecht nach Israel, was eines der brisantesten Themen bei Friedensverhandlungen im Nahen Osten ist. (ap)