Kleve/Düsseldorf. . Der Fall Ronald Pofalla zieht weitere Kreise: Grünen-Fraktionschef Hofreiter hat die Bundesregierung aufgefordert, den Wechsel des Ex-Kanzleramtsministers in den Bahn-Vorstand zu verhindern. Zugleich steigt der Frustpegel an der Basis des Direktkandidaten im Kreis Kleve. Nur Pofalla schweigt.
Verschwiegenheit gehört zum Markenkern von Kanzleramtsministern. Dass Ronald Pofalla sein Handwerkszeug beherrscht, hat das „Phantom von Kleve“ in den letzten Wochen eindrucksvoll bewiesen: kein Bild, kein Ton, keine Spur von Pofalla.
Still und heimlich hatte der 54-Jährige CDU-Politiker eine lukrative „Anschlussverwendung“ beim Staatsbetrieb Bahn eingefädelt. Nun ist die Aufregung groß.
Und Pofallas tiefschwarzen CDU-Heimatkreisverband plagt ein Albtraum: Erstmals könnte Kleve bei einem Mandatsverzicht Pofallas ohne eigenen Unionsabgeordneten dastehen. Am Freitag nun soll der abgetauchte Pofalla bei einer Klausurtagung der CDU Niederrhein auf Burg Boetzelaer bei Kalkar, einem mittelalterlichen Herrensitz, das selbst auferlegte Schweigegelübde brechen.
Nicht nur im Aufsichtsrat der Bahn brodelt es
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Noch ist über den Wechsel zur Bahn nicht entschieden, nicht nur im Aufsichtsrat der Bahn brodelt es. Die Forderung nach einer „Abklingphase“ für Ex-Minister wird lauter. Pofalla aber schweigt, SMS und E-Mails selbst enger Parteifreunde bleiben ohne Antwort. CDU-Kreischef Günther Bergmann ist „irritiert“, Pofallas Wähler fühlen sich drei Monate nach dem Urnengang betrogen.
Der Wahlkreis Kleve ist seit 1949 fest in CDU-Hand. In den 50er- Jahren holten die Unionskandidaten zwischen Emmerich und Straelen bis zu 75 Prozent der Stimmen. Mit immer noch satten 50,8 Prozent bei der Wahl 2013 hat die 4000 Mitglieder starke CDU in Kleve die SPD in der „roten Diaspora“ erneut vernichtend geschlagen. Jetzt müssen Unions-Wahlkämpfer erleben, dass die Klever SPD-Frau Barbara Hendricks zur Umweltministerin aufsteigt – während ihr Frontmann Pofalla nach einem 1,3-Millionen-Job als oberster Lobbyist bei der Bahn greift.
„Du hast Deine Wähler jämmerlich im Stich gelassen“
Nicht nur Bergmann ist merklich verärgert über Pofalla. Der hatte seinen Abschied vom stressigen „Feuerwehrjob“ im Kanzleramt Mitte Dezember damit gerechtfertigt, er wolle mit seiner jungen Lebensgefährtin Nina Hebisch eine Familie gründen. Kurz darauf sickerten erste Gerüchte über eine Bahn-Karriere durch – Kanzlerin Angela Merkel räumte später ein, dass sie bereits seit November über Pofallas Karrierepläne informiert war.
„Du hast deine Wähler und die CDU im Kreis Kleve jämmerlich im Stich gelassen. Man könnte sagen, Du hast Deine Wähler betrogen“, mailte ein CDU-Ratsherr dem abtrünnigen Parteifreund Pofalla.
Vom Kanzleramt in den Vorstand der Bahn – der Aufstieg eines Alleskönners? Oder Vetternwirtschaft auf Kosten eines Staatsbetriebs und damit der Steuerzahler? Klar ist: Für Merkels engsten Vertrauten gab es im neuen Kabinett keinen reizvollen Posten – Pofalla schaute sich um.
Der Generalsekretär der NRW-CDU, Bodo Löttgen, warnt jetzt vor einem „Berufsverbot“, würde man alle ausschließen, mit denen Pofalla gesprochen hatte. Die Landespartei sieht offiziell „kein Problem“ – Löttgen kann aber die Betroffenheit vor Ort verstehen, falls es im Kreis Kleve keinen CDU-Abgeordneten mehr gäbe.
Der Mann aus Weeze kann gut austeilen
In seiner Zeit als Generalsekretär der Bundes-CDU und im Kanzleramt hatte Pofalla immer kräftig ausgeteilt und politische Prügel kassiert. Als Ex-Kanzler Gerhard Schröder auf einen hoch dotierten Posten bei Gazprom wechselte, schimpfte er, es gehe Schröder nicht um Gas, sondern um Kohle. Heute wehrt sich Pofalla nicht gegen die politischen Schläge.
Dass der Mann aus Weeze aber nicht nur still und sprachlos, sondern auch aufbrausend sein kann, wissen Parteifreunde leidvoll zu berichten. Den CDU-Querdenker Wolfgang Bosbach giftete er einmal an mit den Worten: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen!“ Pofalla hat nicht nur Freunde in der Union. Das könnte auch erklären, warum die Personalie bei der Bahn vorzeitig durchgestochen wurde.
Pofalla gilt als eigenwilliger Strippenzieher
Der CDU-Bezirksvorsitzende am Niederrhein gilt als eigenwilliger Strippenzieher, der schon 2005 weit vor der Zeit über ein schwarz-gelb-grünes „Jamaika“-Bündnis philosophierte. Bei der Bahn soll Pofalla für die Pflege politischer Kontakte zuständig sein.
CDU-Kreischef Bergmann hält als Unternehmensberater den Austausch zwischen Politik und Wirtschaft für dringend notwendig und hat deshalb grundsätzlich keine Bedenken gegen Seitenwechsel. Die Sprachlosigkeit gegenüber den eigenen Wahlkämpfern in Kleve nehmen Mitstreiter Pofalla aber übel. Nicht wenige fühlen sich vom eigenen Abgeordneten hinters Licht geführt.