Berlin. Erhebliche Mängel in knapp 800 Altenheimen in Deutschland hat der Medizinische Dienst festgestellt. Jede sechste Einrichtung schnitt in der eigentlichen Pflege schlecht ab, jede fünfte versorgt Demenzkranke unzureichend. Zwei Drittel der Heime sind insgesamt "gut" oder "sehr gut".
Durchgefallen beim Pflege-TÜV: Bis zu 800 Altenheime in Deutschland haben erhebliche Mängel. Dies geht aus ersten Ergebnissen der neuen Qualitätsprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen hervor. Sie wurden am Donnerstag vorgestellt. Gut jede sechste Einrichtung erhielt schlechte Noten für die eigentliche Pflege. Jedes fünfte hat Mängel bei der Versorgung Demenzkranker.
Bei der Gesamtnote schnitten immerhin zwei Drittel der Heime gut oder sehr gut ab. Doch erreichten acht Prozent der geprüften gut 1.000 Einrichtungen nur mangelhaft oder ausreichend. Diese beiden Notenstufen deuteten auf «Mängel, die so nicht geduldet werden können», erläuterte Dieter Voß, der für die Pflegeversicherung zuständige Vorstand des Spitzenverbands der Krankenkassen.
115 Einrichtungen hochgerechnet "mangelhaft"
Die ersten Ergebnisse lassen sich nach seiner Darstellung auf alle 10.300 Pflegeheime in Deutschland hochrechnen. Demnach befänden sich 800 Einrichtungen bundesweit bei der Gesamtnote «im kritischen Bereich», wie Voß sagte. Hochgerechnet 115 Einrichtungen seien sogar «mangelhaft».
Bezogen auf die Einzelergebnisse im «Kernbereich», nämlich bei der «pflegerischen und medizinischen Versorgung», erhielten 4,3 Prozent der Heime mangelhaft und 13,0 Prozent ausreichend. Hochgerechnet gibt es laut Voß also bei 1.700 Heimen bundesweit Mängel. Beim Umgang mit Demenzkranken bekamen 9,5 Prozent der Heime mangelhaft, weitere 11,5 Prozent ausreichend. Hochgerechnet gibt es also bundesweit um mehr als 2.100, wo Altersverwirrte nicht gut betreut werden.
Bewohner äußern sich positiv
Der Medizinische Dienst hatte Anfang Juli mit der Prüfung und Benotung aller Pflegeheime in Deutschland begonnen. Die nun vorgestellten Ergebnisse sind die ersten 1.000. Sie sollen im November im Internet veröffentlicht werden. Alle anderen sollen schrittweise bis Ende 2010 folgen.
Vor allem die Ergebnisse zur Versorgung von Demenzkranken hätten überrascht, sagte Chef des Medizinischen Diensts, Peter Pick. «Da zeigt sich ein gewisser Handlungsbedarf.» Voß zeigte sich seinerseits überrascht über die vielen guten oder sehr guten Ergebnisse.
Bei der Gesamtnote wurden 27,2 Prozent der Heime als sehr gut bewertet, 40,5 Prozent als gut, 24,2 Prozent als befriedigend, 6,9 Prozent als ausreichend und 1,1 Prozent als mangelhaft. Möglicherweise müsse man die Kriterien nachbessern, damit die Ergebnisse realistischer würden, sagte Voß.
Kritik am Notensystem
Der Münchner Pflegekritiker Claus Fussek kritisierte das Benotungssystem als wenig hilfreich. In der Branche tummelten sich bereits zahlreiche Berater, die Heimbetreiber «darin unterweisen, wie sie für schlechte Häuser gute Noten bekommen», sagte Fussek dem «Tagesspiegel» (Freitagsausgabe). Außerdem könnten Häuser im Zweifel nicht geschlossen werden, «weil keiner weiß, wohin mit den Bewohnern».
Pick und Voß bewerteten das neue Notensystem dagegen positiv. Es sei ein «taugliches Instrument», das Transparenz schaffe und den Wettbewerbsdruck auf die Heimbetreiber erhöhe, sagte Voß. Damit dürfte sich die Qualität insgesamt verbessern.
Wie sich die mangelhaften Heime regional verteilen, konnten Pick und Voß noch nicht sagen. Dies und die Namen der Einrichtungen werden erst bei der Internet-Veröffentlichung erkennbar. Einen Hinweis gaben die Experten aber schon: «Der Preis ist kein Indikator für die Qualität», sagte Pick. Schlechte Ergebnisse habe es auch bei sehr teuren Einrichtungen gegeben. (ap)