Berlin. Seit Dienstagmittag sitzen Union und SPD in der letzten Verhandlungsrunde ihrer Koalitionsgespräche. Noch am Morgen waren wichtige Streitpunkte ungeklärt - doch dann kam es Schlag auf Schlag: Pkw-Maut, Mindestlohn, Rente, Vorratsdatenspeicherung, Managergehälter, Atomkraftwerke. Die Kompromisslinien im Überblick.
In den Koalitionsverhandlungen haben sich Union und SPD am Dienstag in diversen Punkten einigen können - auch bei den Streitthemen.
Einigung auf Rentenpaket
Union und SPD haben sich am späten Abend auf ein Rentenpaket verständigt. Danach sollen die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren und eine Besserstellung älterer Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, zum 1. Januar 2014 eingeführt werden. Ferner soll eine "solidarische Lebensleistungsrente" für Geringverdiener in Höhe von bis zu 850 Euro pro Monat ab 2017 kommen. Auch die Erwerbsminderungsrenten sollen verbessert werden.
Entsprechende Berichte der "Rheinischen Post", der "Bild"-Zeitung und der ARD wurden der Nachrichtenagentur dpa am Dienstagabend bestätigt. Bei der Rente mit 63 soll der abschlagfreie Zugang schrittweise an die Altersgrenze 65 herangeführt werden. Die Kosten für dieses Gesamtpaket waren zuvor mit mehr als 20 Milliarden Euro beziffert worden. Die Union pochte vor allem auf die Mütterrente und die SPD auf die Rente ab 63.
Die Pkw-Maut soll kommen
"Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erheben", heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrages.
Im Gespräch ist eine Jahres-Vignette für 100 Euro, die sich Autobesitzer in Deutschland über einen Rabatt bei der Kfz-Versicherung zurückholen können. Strittig ist aber, ob dies mit EU-Recht in Einklang steht - das ist aber eine Voraussetzung für die Einführung der Maut. Das Verkehrsministerium erhofft sich Einnahmen unter dem Strich von bis zu 800 Millionen Euro, der ADAC hält dies für weit übertrieben.
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Allerdings ist in dem Textentwurf der gesamte Abschnitt zur Aufstockung der Investitionsmittel für den Straßenverkehr ausdrücklich noch unter Vorbehalt gestellt. Auch gilt ohnehin die Regel, dass Entscheidungen erst endgültig sind, wenn das Gesamtpaket beschlossen wurde. Das betreffende Gesetz soll demnach im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden.
Eine offizielle Bestätigung gab es für die Einigung zunächst nicht. Für die Pkw-Maut setzt sich besonders die CSU ein. Die CDU hatte zuletzt erkennen lassen, sie könnte eine Maut unter den genannten Voraussetzungen akzeptieren. Erhebliche Vorbehalte gab es dagegen in der SPD.
Beim Mindestlohn zeichnet sich ein Kompromiss ab
Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro könnte nach Angaben aus mit den Verhandlungen vertrauten Kreisen zum 1. Januar 2015 eingeführt werden. Ein entsprechendes Kompromissmodell sehe zudem vor, dass für eine festgelegte Übergangszeit bis voraussichtlich 2017 auf der Grundlage bestimmter Tarifverträge auch geringere Löhne möglich wären, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag.
Dies sei eine der Varianten, die in den Reihen der Verhandlungspartner diskutiert werde. Eine Einigung gebe es aber noch nicht, wurde in den Kreisen betont.
Die Vorratsdatenspeicherung wird beschlossen
Zuvor hatten sich Union und SPD schon auf die Vorratsdatenspeicherung geeinigt. "Die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten werden wir umsetzen", heißt es in dem Reuters am Dienstag vorliegenden Entwurf des Koalitionsvertrages. Ein Zugriff auf die gespeicherten Daten solle nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben möglich sein.
"Die Speicherung der deutschen Telekommunikations-Verbindungsdaten, die abgerufen und genutzt werden sollen, haben die Telekommunikations-Unternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen. Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate hinwirken", heißt es im Entwurf des Vertrages. In der vergangenen Legislaturperiode war die Umsetzung der EU-Richtlinien an der FDP gescheitert.
Managergehälter werden nicht begrenzt
Die SPD hat offenbar ihre Forderung nach einer Grenze für Managergehälter aufgegeben. In der dritten Fassung des Entwurfs für den Koalitionsvertrag, der AFP am Dienstag vorlag, findet sich lediglich eine Klausel für mehr Transparenz bei Gehältern für die Chefetage: Über die Vorstandsvergütung muss demnach künftig die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats entscheiden.
In der ersten Fassung des Koalitionsvertrags war nach AFP-Informationen noch die Vorgabe enthalten, dass jedes börsennotierte Unternehmen ein Maximalverhältnis zwischen dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen und der Vergütung jedes einzelnen Vorstandsmitglieds festlegen muss.
Der Fonds für Kosten des Atomausstiegs wurde aufgegeben
Eine Einigung erzielten die drei Parteien offenbar auch beim Thema Atomausstieg. Die Idee, einen politisch kontrollierten Fonds zur Finanzierung der Abrisskosten für Atomkraftwerke einzurichten, ist in den Koalitionsverhandlungen fallengelassen worden. Der Fonds, in den die Akw-Betreiber zumindest Teile ihrer Rückstellungen für die Entsorgungskosten einzahlen sollten, findet sich im jüngsten Entwurf des Koalitionsvertrages vom Dienstagmorgen nicht mehr. Die SPD hat sich damit offenbar mit ihrer Forderung nicht gegen die Union durchsetzen können.
(rtr, afp, dpa)