Islamabad. Der Chef der pakistanischen Taliban, Baitullah Mehsud, ist bei einem Luftangriff der US-Armee ums Leben gekommen. Die USA hatten auf Mehsud fünf Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt. Ein Taliban-Führer bestätigte am Freitag, Mehsud sei beim Angriff einer US-Drohne ums Leben gekommen.

Der pakistanische Taliban-Führer Baitullah Mehsud ist nach Angaben eines seiner Kommandeure bei einem US-Angriff getötet worden. Mit ihm sei am Mittwoch auch seine zweite Frau ums Leben gekommen, sagte Kafayat Ullah am Freitag der Nachrichtenagentur AP. Er bestätigte damit Berichte aus Geheimdienstkreisen. Die Regierung betrachtete Mehsud als eine der größten Bedrohungen für die innere Sicherheit Pakistans, die USA hatten ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt.

Für USA steht Beweis noch aus

Es gebe zwar noch keine stichhaltigen Beweise für den Tod Mehsuds, erklärte die US-Regierung. Aus glaubwürdigen Quellen kämen aber gleichlautende Angaben, sagten Sprecher des Weißen Hauses und des US-Verteidigungsministeriums.

Der Taliban-Kommandeur Ullah machte telefonisch keine näheren Angaben zu dem Luftangriff auf das Haus von Mehsuds Schwiegervater in Süd-Waziristan. Wie aus Kreisen des pakistanischen und des amerikanischen Geheimdienstes verlautete, wurde der Angriff von CIA-Agenten ausgeführt. Mehsuds Gefolgsleute hatten zunächst erklärt, der Taliban-Führer habe sich nicht in dem Gebäude aufgehalten. Ein örtlicher Stammesführer berichtete jedoch, der Taliban-Führer sei dort ärztlich behandelt worden.

Stellvertreter als wahrscheinlichster Nachfolger

Mehsuds Tod wäre ein großer Erfolg im Kampf gegen Taliban und Al Kaida in Pakistan und im Nachbarland Afghanistan. Der Islamist leitete die Gruppe Tehrik-e-Taliban, die am Mordanschlag auf die ehemalige pakistanische Ministerpräsidentin Benazir Bhutto im Dezember 2007 beteiligt gewesen sein soll. Außerdem soll er für Dutzende Selbstmordanschläge in Pakistan verantwortlich sein und Kontakte zum Terrornetzwerk Al Kaida unterhalten haben.

Gewährsleute aus Geheimdienst- und Extremistenkreisen berichteten, es werde bereits über die Nachfolge des pakistanischen Taliban-Führers beraten. Als wahrscheinlichster Kandidat gilt Mehsuds Stellvertreter Hakimullah Mehsud, der für eine rigorose Rekrutierung und Ausbildung von Selbstmordattentätern bekannt ist. Auf den 28-Jährigen ist ein Kopfgeld von zehn Millionen Rupien (85.000 Euro) ausgesetzt. Er befehligt vermutlich 8.000 Mann und hat die Verantwortung für einen Bombenanschlag auf ein Hotel in Peshawar Anfang Juni übernommen. Außedem waren Geheimdienstkreisen zufolge die Namen Azmat Ullah und Waliur Rehman im Gespräch.

Taliban-Führer bereits beerdigt?

Mehreren Gewährsleuten zufolge wurde Mehsud bereits beerdigt. Allerdings hat kein Geheimdienstagent die Leiche gesehen. Der pakistanische Innenminister Rehman Malik sagte, ihm lägen noch keine stichhaltigen Beweise vor. Außenminister Shah Mahmood Qureshi kündigte an, Behördenvertreter würden zum Ort des Raketenangriffs reisen, um die Hinweise zu überprüfen. Daran wollten sich auch US-Geheimdienstbeamte beteiligen.

Mehsuds Organisation Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) gab zunächst keine Stellungnahme zu den Meldungen ab. Ein Taliban-Mitglied kündigte lediglich an, dass noch für Freitag ein Treffen von TTP-Kommandeuren geplant sei. Anschließend werde es es eine «wichtige Mitteilung» geben.

Mehsud hatte im Sommer 2007 die Führung der pakistanischen Taliban übernommen. Nach der Erstürmung der Roten Moschee in Islamabad zur gleichen Zeit begann in Pakistan eine Welle von Anschlägen mit etwa 2000 Todesopfern, für die die Behörden größtenteils Mehsud und seine Kämpfer verantwortlich machten. Dazu zählte auch der Mord an der früheren pakistanischen Regierungschefin Benazir Bhutto Ende 2007. Mehsud wurde daher zum meistgesuchten Mann in Pakistan. Die US-Regierung warf ihm vor, das Terrornetzwerk El Kaida zu unterstützen. Im März setzte sie den TTP-Chef auf ihre Liste der wichtigsten Terrorverdächtigen und setzte auf ihn ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar (3,5 Millionen Euro) aus.

Tod könnte Führungskrise bei den Taliban auslösen

Mehsuds Tod wäre für die pakistanischen Taliban ein schwerer Schlag. Für die USA wäre er eine Rechtfertigung für ihre eigenmächtigen Drohnenangriffe in Pakistan, die bei der Regierung in Islamabad mehrfach auf Widerstand gestoßen sind. Die pakistanische Armee hatte sich zuletzt nicht so stark der Bekämpfung der TTP gewidmet, weil sie im Swat-Tal eine Offensive gegen die dortigen Taliban führte.

Die USA verstärkten hingegen in den vergangenen Wochen ihre Bemühungen, Mehsud aufzuspüren. Bei US-Drohnenangriffen wurden mehr als 150 TTP-Anhänger getötet, seitdem wurden in Pakistan kaum noch Selbstmordattentate verübt. Der US-Gesandte für Pakistan und Afghanistan, Richard Holbrooke, sagte bei einem Besuch in Islamabad Ende Juni: «Baitullah Mehsud ist eine der gefährlichsten und abscheulichsten Personen der Region und die USA haben ihm bis vor kurzem nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet.»

Mehsuds Tod werde bei den pakistanischen Taliban wohl eine schwere «Führungskrise» auslösen, sagte der pakistanische Experte für die Stammesgebiete, Rahimullah Yusufzai. Als Mehsuds Nachfolger wurden unter anderem Waliur Rehman sowie Azmatullah und Haimullah Mehsud gehandelt. (afp/ap)