Bamako. Erst im August wählte Mali mit Rekordbeteiligung einen neuen Präsidenten. Vor den Parlamentswahlen herrscht nun hingegen totales Desinteresse. Es fehlt an Ideen und neuen Gesichtern. Vor allem von Staatschef “IBK“ Keita ist die Bevölkerung schwer enttäuscht.

Wenn ein Land politisch so viel durchgemacht hat wie das westafrikanische Mali, dann sollte die Ausrichtung von demokratisch organisierten Parlamentswahlen eigentlich ein Grund zur Freude sein. Anders als noch bei den Präsidentschaftswahlen vor rund drei Monaten ist aber derzeit in dem Wüstenstaat kein Enthusiasmus zu spüren. Pessimisten rechnen bereits mit einem dramatischen Einbruch bei der Wahlbeteiligung. "Die Leute sind völlig desinteressiert, und die Kandidaten haben keine neuen Slogans. Es sind immer dieselben Köpfe", sagte ein politischer Beobachter im südlichen Bezirk Sikasso. "Davon haben die Leute die Nase voll."

Für den Mechaniker Amidou Doumbia ist der Wahlkampf schlichtweg "langweilig". Selbst in der Hauptstadt Bamako herrscht Wahl-Tristesse, kaum ein Plakat ziert die Straßen der staubigen Metropole. Mega-Veranstaltungen wie vor den Präsidentschaftswahlen - als der später gewählte Ibrahim Boubacar Keita Zehntausende Menschen ins größte Stadion des Landes lockte - stehen dieses Mal auch nicht auf dem Programm. "Ich spüre überhaupt keine Begeisterung. Die Malier scheinen nicht mehr so motiviert zu sein, an die Urnen zu gehen, wie noch im Juli und August", sagt Doumbia.

Von 1080 Kandidaten nur 135 Frauen

Über 1080 Kandidaten bewerben sich um die 147 Sitze, darunter allerdings nur 135 Frauen. "Das haben die Frauen selbst zu verantworten", meint Coulibaly Buchi Sy. Sie setzt sich mit der politischen Plattform "Frauen für transparente und friedliche Wahlen in Mali" für den Vormarsch weiblicher Kandidaten ein. "Frauen müssen Strategien entwickeln, um es an die Spitze zu schaffen. Stattdessen beklagen sie sich immer nur über die Männer, tun aber nichts, um politisch voranzukommen."

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Das größte Problem in Mali ist und bleibt jedoch die prekäre Sicherheitslage. Radikale Islamisten hatten im vergangenen Jahr im Zuge eines Militärputsches den Norden erobert und dort eine brutale Auslegung der Scharia eingeführt. Seit Januar konnten französische und afrikanische Truppen die Extremisten zwar aus der Region vertreiben - aber Anschläge verüben sie noch immer. Auch sind die Wunden der monatelangen Schreckensherrschaft noch nicht verheilt.

Es herrscht die Angst vor Extremisten

"Hier in Gao steht die Wahlkampagne ganz im Zeichen von Frieden und Versöhnung", erklärt der Jugendarbeiter Sadibou Aliou Toure. "Größere Veranstaltungen gibt es nicht, die Kandidaten und ihre Mitarbeiter gehen quasi von Tür zu Tür." Selbst verbale Aggression sei bisher ausgeblieben. Ganz ähnlich ist die Situation in Timbuktu: "Wir sehen die Kandidaten kaum. Hauptsächlich trifft man sie beim Gebet in den Moscheen", sagt ein politischer Aktivist. Die Angst ist spürbar - und Plakate mit den Gesichtern der Bewerber sind auch in der legendären Karawanenstadt Mangelware.

Im Zentrum des Interesses wird allerdings die Stadt Kidal stehen, die noch immer von Rebellen der sezessionistischen Tuareg-Bewegung MNLA kontrolliert wird - auch wenn französische und internationale Truppen hier Militärstützpunkte haben. Erst Anfang November waren in Kidal zwei französische Journalisten verschleppt und kaltblütig ermordet worden.

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Der Präsident buhlt um die Rebellen

Die Wahlen sind für die MNLA von großer Bedeutung, denn ihre Zukunft steht auf dem Spiel. Kritisch sehen Beobachter die Entscheidung von Präsident "IBK" Keita, vier MNLA-Anführer auf der Liste seiner Partei "Rally für Mali" (RPM) als Kandidaten aufzustellen. Um sich die Gunst der Rebellen zu sichern, hatte er zuvor "im Namen der nationalen Versöhnung" Haftbefehle gegen 23 MNLA-Kämpfer aufheben lassen.

Der Schritt ist landesweit sehr umstritten. Offenbar will sich Keita um jeden Preis die Mehrheit im Parlament sichern, um die nächsten fünf Jahre ohne größeren Widerstand regieren zu können.

"Wieder eine große Kluft zwischen Volk und Politikern"

Überhaupt sind die Menschen alles andere als begeistert von ihrem neuen Staatschef, dem sie in einer Stichwahl im August mit über 77 Prozent der Stimmen ihr Vertrauen ausgesprochen hatten. Fast die Hälfte der Wahlberechtigten war zu den Urnen gegangen - ein Rekordergebnis für Mali, wo die Wahlbeteiligung traditionell äußerst niedrig ist. Die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität in dem gebeutelten Land war die treibende Kraft bei der Abstimmung.

"Aber jetzt ist schon wieder eine große Kluft zwischen dem Volk und den Politikern zu spüren", erklärt der Präsident der "Organisation Junger Reporter in Mali" (Ojrm), Kassim Traoré. "Präsident Keita hat bisher enttäuscht, und die Wähler scheinen ihre Entscheidung bereits zu bereuen." (dpa)