Islamabad. Amnesty International wirft den USA vor, mit den Drohnenangriffen in Pakistan das Völkerrecht zu brechen, hart an der Grenze zum Kriegsverbrechen. Die USA hätten sich eine “Lizenz zum Töten“ ausgestellt. Die Bundesregierung müsse Deutschlands Rolle bei den Angriffen offenlegen.

Mit ihren Drohnenangriffen in Pakistan haben die USA nach Ansicht von Amnesty International mehrfach das Völkerrecht gebrochen und möglicherweise sogar Kriegsverbrechen begangen. "Mit dem strikt geheim gehaltenen Drohnenprogramm gibt sich die USA eine Lizenz zum Töten, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert", erklärte der deutsche Ableger der Menschenrechtsorganisation am Dienstag bei der Vorstellung eines Prüfungsberichts.

Die Ankündigungen von US-Präsident Barack Obama, dem Drohnenprogramm strengere Regeln und mehr Transparenz verordnen zu wollen, seien bis heute "leere Versprechen". Die deutsche AI-Sektion kritisierte "eine Lizenz zum Töten, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert".

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Deutschland hat nach dem Bericht die völkerrechtlich umstrittenen US-Drohnenangriffe in Pakistan mit Geheimdienstinformationen unterstützt. Das teilte die Menschenrechtsorganisation unter Berufung auf pensionierte pakistanische Geheimdienstoffiziere mit. Nach deren Aussagen aus diesem und dem vergangenen Jahr sollen "die Geheimdienste in Deutschland und anderen europäischen Staaten mit den USA und deren Drohnenprogramm in Pakistan zusammengearbeitet" haben. Deutschland habe dem US-Geheimdienst CIA sogar Daten wie Handy-Nummern von späteren Drohnen-Opfern geliefert.

Bundesregierung verlasse sich auf Selbstauskunft der USA

Der Pakistan-Experte von Amnesty International, Mustafa Qadri, sagte auf Anfrage: "Wir veröffentlichen diesen Bericht, um Regierungen einschließlich der deutschen dazu zu drängen, ihre Rolle in dem US-Drohnenprogramm offenzulegen."

Die Bundesregierung verlasse sich auf die Selbstauskunft der USA, wonach das Völkerrecht eingehalten werde, teilte AI weiter mit. "Die Bundesregierung muss endlich öffentlich einfordern, dass auch die USA sich an das geltende Recht halten. Deutsche Behörden dürfen die rechtswidrigen Drohnenangriffe der USA nicht auch noch unterstützen."

45 Angriffe seit Januar 2012

Amnesty-Mitarbeiter überprüften nach Angaben der Organisation alle 45 Drohnenangriffe, die zwischen Januar 2012 und August 2013 aus dem schwer zugänglichen Stammesgebiet Nord-Waziristan bekannt wurden. Im Oktober 2012 sei etwa eine 68-jährige Großmutter bei der Feldarbeit vor den Augen ihrer Enkel getötet worden, heißt es in dem Bericht. Die Kinder seien bei einem zweiten Luftschlag schwer verletzt worden. "Besonders perfide ist die Praxis, einem ersten Drohnenangriff kurz darauf den nächsten folgen zu lassen, der dann diejenigen Menschen trifft, die den Verletzten helfen wollten", urteilte Amnesty in dem Prüfbericht. Im Juli 2012 hätten US-Drohnen 18 Dorfbewohner bei deren Abendessen getötet, die anschließend als militante Kämpfer bezeichnet worden seien.

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Die Drohneneinsätze werden auch Thema beim Treffen des neuen pakistanischen Premierministers Nawaz Sharif mit US-Präsident Barack Obama an diesem Mittwoch in Washington sein. Die pakistanische Regierung fordert seit langem einen Stopp der Angriffe im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan, was die USA ignorieren. Die CIA setzt die unbemannten Flugzeuge ein, um gezielt mutmaßliche Aufständische zu töten, denen zuvor kein rechtsstaatlicher Prozess gemacht wurde. Dabei kommen immer wieder Unschuldige ums Leben.

Bis zu 3613 Tote durch Drohnen

Das "Büro für Investigativen Journalismus" in London schätzt, dass bei 376 CIA-Drohnenangriffen seit 2004 zwischen 2525 und 3613 Menschen getötet wurden. Darunter sind demnach zwischen 407 und 926 Zivilisten, wovon zwischen 168 und 200 Kinder waren. (dpa/afp)