Berlin. Schwarz-Rot plant kostspielige Wohltaten: höhere Renten, Pflegereform und bessere Straßen gehören dazu. Nach unseren Berechnungen geht es um Mehrausgaben von bis zu 25 Milliarden Euro im Jahr. Bisher weiß aber keiner, wie das bezahlt werden könnte.
Einigkeit vor allem beim Geldausgeben: Union und SPD planen für ihre Koalition Mehrausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe – doch die Finanzierung ist ungeklärt, Experten fürchten den Griff in die Sozialkassen.
Noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen ist klar, wie Union und SPD zueinander finden: Sie machen sich gegenseitig teure Zugeständnisse. Nach Berechnungen unserer Zeitung dürften sich die Mehrausgaben für Sozialleistungen und Investitionen auf 20 bis 25 Milliarden Euro im Jahr belaufen, womöglich auch mehr.
Allein die Verbesserung der Rente könnte 10 Milliarden Euro kosten
Allein die Verbesserungen bei der Rente (höhere Mütterrenten, Zuschuss für Mini-Renten, abschlagsfreie Renten ab 45 Berufsjahren) dürften zwischen 7 und 10 Milliarden Euro kosten, Tendenz steigend. Für eine Pflegereform werden 2 Milliarden (Union) bis 5 Milliarden (SPD) veranschlagt. Für den Ausbau der Infrastruktur, vor allem der Verkehrswege, sind jährlich mehrere Milliarden Euro zusätzlich im Gespräch, die später über die Ausweitung der Lkw-Maut bezahlt würden.
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Die Kindergelderhöhung dürfte je nach Ausgestaltung 2 bis 5 Milliarden Euro kosten. Länder und Kommunen will der Bund über eine Beteiligung an der Eingliederungshilfe für Behinderte entlasten, gerungen wird um 4 bis 7 Milliarden Euro jährlich. Zudem erwarten die Länder Hilfe des Bundes bei den Bildungsausgaben: Es geht um einen großen Milliardenposten etwa für Ganztagsschulen oder frühkindliche Bildung.
Die gute Konjunktur soll es richten
Viel Geld – doch bei der Finanzierung scheint sich die Koalition vor allem auf die gute Konjunktur zu verlassen: Bleibt die so stabil, dürfte ab 2015 der Bundeshaushalt ausgeglichen sein, wenn es sehr gut läuft, stünde 2017 ein 15-Milliarden-Überschuss zur Verfügung. Eigentlich sollte Finanzminister Wolfgang Schäuble das Geld zur Schuldentilgung einsetzen. Davon ist schon keine Rede mehr. Die führenden Wirtschaftsinstitute warnen, die konjunkturbedingten Mehreinnahmen dürften nicht in dauerhafte Ausgaben gesteckt werden. Die Risiken sind hoch. Aber viele Alternativen zum Schönwetter-Plan hat die Koalition nicht: Der Weg in höhere Schulden ist verbaut. Höhere Steuern für Topverdiener und Vermögende sind vom Tisch, das hat die SPD-Spitze intern zugesagt. Bliebe der Subventionsabbau oder der Kampf gegen Steuerbetrug, aber so etwas dauert.
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Experten befürchten deshalb, dass Schwarz-Rot einen bequemen Ausweg wählt – und die Mehrlasten wo immer möglich auf die Sozialkassen abwälzt, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit ihren Beiträgen zur Kasse bittet. Der Pflegebeitrag wird ohnehin steigen, zwischen 0,2 und 0,5 Prozentpunkte. Schäuble bedient sich auch bereits an den Bundeszuweisungen für den Gesundheitsfonds: Um seine Bilanz zu schönen, will er 2013 und 2014 insgesamt 5,5 Milliarden Euro weniger überweisen. („Ein Griff in die Portemonnaies der Beitragszahler zur Sanierung des Haushaltes“, klagt der Krankenkassen-Spitzenverband.)
Zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Zeche?
Das dürfte Schule machen: Die Mütterrente etwa ist eine versicherungsfremde Leistung, die aus Steuermitteln finanziert werden müsste. Die Kosten von rund 6 Milliarden Euro entsprechen etwa der Summe, die der lange diskutierte höhere Spitzensteuersatz für hohe Einkommen gebracht hätte. Das ist nun tabu. Die Union hat angekündigt, dass sie die Mütterrente nicht aus Steuern, sondern aus den – vorübergehenden - Überschüssen der Rentenkasse bezahlen will. Und auch die Aufstockung der Minirenten werden – systemwidrig – wohl Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit absehbar steigenden Beiträgen finanzieren.
Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt fordert nun eine klare Absage an Beitragserhöhungen: Aus Überschüssen der Rentenkasse seien Mütter- und Mindestrente langfristig nicht finanzierbar.