Washington. . Die US-Notenbank soll erstmals in ihrer 100-jährigen Geschichte von einer Frau geleitet werden. US-Präsident Obama will Fed-Vizechefin Janet Yellen an die Spitze der mächtigsten Zentralbank der Welt berufen. Obama werde seine Entscheidung an diesem Mittwoch im Weißen Haus bekanntgeben.

Ab Februar nächsten Jahres hat zum ersten Mal in 100 Jahren eine Frau den wichtigsten Job der Weltwirtschaft. Janet Yellen wird, wenn der Senat die nötige Zustimmung erteilt, die Nachfolge von Ben Bernanke an der Spitze der amerikanischen Notenbank Federal Reserve übernehmen.

Präsident Obama hat die 67-Jährige gestern (Mittwoch) offiziell nominiert. Ein von den Finanzmärkten gelinde gesagt als ungeschickt empfundenes Auswahlverfahren durch das Weiße Haus (Obamas eigentlicher Wunschkandidat Lawrence Summers zog wegen großen Widerstands gegen seine aufreizend arrogante Persönlichkeit die Kandidatur kürzlich zurück) ist damit beendet.

Als neue „Chairwoman“ der Fed wird die als scheu, blitzgescheit, unprätentiös und liebenswürdig geltende Gattin des Wirtschaftsnobelpreisträgers George Akerlof künftig den Dollar steuern. Und damit, trotz des aktuellen Entscheidungsstaus in Washington, die immer noch wichtigste Währung im Weltfinanzsystem. Yellen ist seit dem Rücktritt von Paul Volcker 1987 die erste Demokratin auf diesem Posten.

Janet Yellen promovierte bei Wirtschafts-Nobelpreisträger

Die Arzt-Tochter wuchs im New Yorker Stadtteil Brooklyn auf und legte danach eine akademische Bilderbuchkarriere hin. Dem Studium an renommierten Unis wie Yale, Doktorvater war der spätere Nobelpreisträger James Tobin, folgten früh Professuren in Harvard, London und im kalifornischen Berkeley. Bill Clinton holte Yellen 1997 in die Politik. Zwei Jahre war sie seine Chef-Ökonomin. 2004 übernahm die zierliche Frau mit dem silberfarbenen Bob, die bei Konferenzen nicht selten übersehen aber nie überhört wird, die Landeszentralbank in San Francisco. 2010 machte Präsident Obama sie zu Ben Bernankes Stellvertreterin.

Ihn hat der scharfe Intellekt beeindruckt, heißt es in Regierungskreisen, „mit der Yellen das Weltfinanzgebaren auf die Verständnisebene der Menschen im Alltag herunterholen kann“. Sie selbst erklärte ihre Entscheidung für ein Wirtschaftsstudium einmal so: „Es ist eine logische Weise darüber nachzudenken, wie man Menschen am besten helfen kann."

Geschätzt wird Yellen wegen ihrer bisher meist treffsicheren Prognosen. „Ich spüre immer noch die Anwesenheit eines 600 Pfund schweren Gorillas im Raum, und das ist der Wohnungsbausektor“, sagte sie 2007 und forderte niedrige Zinsen. Kurz danach brach die Finanzkrise über Amerika und Rest der Welt herein.

Designierte Fed-Chefin favorisiert Politik des billigen Geldes

Ihr Interesse an Arbeitsmärkten hat Yellen früh zur Verfechterin einer Geldpolitik gemacht, die im Zweifel eher eine höhere Inflation denn hohe Beschäftigungslosigkeit riskiert. Im Jargon der Notenbanker heißt das „dovish“, von „dove“ = Taube. Die Politik des billigen Geldes der „Fed“, die das Zinsniveau seit vier Jahren nahe Null hält, trägt maßgeblich Yellens Handschrift. Ihre schwierigste Aufgabe wird es sein, das von der Notenbank bereits angedeutete Ausschleichen der Politik des unbegrenzten Gelddruckens im nächsten Jahr zeitlich so passgenau zu beginnen, dass an den verwöhnten Finanzmärkten keine großen Verwerfungen entstehen. Über die künftige Top-Bankerin sind keine Skandale oder Star-Allüren bekannt. An der Uni in Berkeley ging die Professorin mit ihrem dort ebenfalls bis vor kurzem tätigen Mann im Partner-Look (Khakihosen, Polo-Shirt, Turnschuhe) in die Vorlesungen. Das Paar hat einen Sohn, Robert, ebenfalls ein promovierter Wirtschaftsexperte.

Yellen gilt als übervorsichtig, plant jeden öffentlichen Termin bis ins Detail, gibt nur selten Interviews und reist gewohnheitsmäßig stundenlang vor Abflug zum Flughafen; aus Angst die Maschine zu verpassen.

Ihre Berufung durch das Oberhaus des Kongresses dürfte trotz des Stellungskrieges zwischen Demokraten und Republikanern am Ende reibungslos verlaufen. Janet Yellen genießt über die Fachwelt hinaus höchstes Ansehen und stützt sich auf eine Netz prominenter Fürsprecherinnen, darunter Obamas ehemalige Wirtschaftsberaterin Christine Romer. Ihre Berufung auf den zentralen Geldwächter-Posten gilt als wichtiger Durchbruch der so genannten „Glasdecke“, die Frauen in den USA den Zugang zu Spitzenjobs oft immer noch verwehrt.