Berlin. . Mit überraschend deutlichen Mehrheiten wurden Göring-Eckardt und Hofreiter als Fraktionschefs gewählt. Die neu gewählte Spitze verspricht Aufbruch und will eine Öffnung für neue Bündnisse. Nur Schwarz-Grün wird es wohl nicht werden - trotz der anstehenden Sondierungsgespräche mit der Union.
Der erste Auftritt der neuen Grünen-Fraktionsspitze begann harmonisch: Ökologische Modernisierung, mehr soziale Gerechtigkeit und den Einsatz für Bürgerrechte nannten Katrin Göring-Eckardt (47) und Anton Hofreiter (43) gestern übereinstimmend als die wichtigsten Themen in ihren neuen Ämtern als Fraktionschefs im Bundestag. "Wir stehen für einen Aufbruch", sagte Hofreiter, einen "Neuanfang" kündigte seine Kollegin an.
Beide waren zuvor mit überraschend klaren Ergebnissen in die Fraktionsführung gewählt worden: Göring-Eckardt setzte sich in einer Kampfabstimmung gegen die Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae mit 65 Prozent der Stimmen durch, Hofreiter bekam sogar 80 Prozent - der bisherige Chef des Bundestags-Verkehrsausschusses ging allerdings als Kandidat des linken Flügels ohne Konkurrenten in die Wahl.
Erfahrung setzt sich durch
Nur die 34 Abgeordneten des Realo-Flügels hatten sich nicht auf einen Bewerber einigen können: Die aus dem Schwarzwald stammende Andreae (44) hatte die Unterstützung etwa der pragmatischen Regierungs-Grünen in Baden-Württemberg, während Göring-Eckardt wegen ihres Einsatzes auch für soziale Themen auf Stimmen der Fraktionslinken rechnen konnte. Am Ende zählte wohl auch Göring-Eckardts Erfahrung, sie führte die Fraktion bereits von 2002 bis 2005 eher unauffällig - das überwog für manche Abgeordnete den Misserfolg als Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl. Zur Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin wählte die Fraktion die frühere NRW-Landeschefin Britta Haßelmann (51) als Nachfolger von Volker Beck. Damit ist der Generationswechsel in der Fraktionsspitze vollzogen.
Die erste Bewährungsprobe für die neue Führung kommt bereits am Donnerstag: Dann sind Göring-Eckardt und Hofreiter zusammen mit anderen Spitzen-Grünen beim Sondierungsgespräch mit der Union. Beide Fraktionschefs äußerten sich gestern aber skeptisch und bezweifelten die Ernsthaftigkeit der Gespräche - vor allem bei der CSU.
Kaum einer rechnet noch mit Schwarz-Grün
Inzwischen rechnet kaum noch ein Grüner damit, dass es tatsächlich zu Koalitionsverhandlungen mit der Union kommt. Wohin die Reise dann geht, ist offen. Hofreiter hat bisher stark für Rot-Rot-Grün geworben, engagiert sich für ein solches Links-Bündnis auch in einem fraktionsübergreifenden Abgeordneten-Netzwerk.
Göring-Eckardt wollte bis vor einiger Zeit Brücken für ein schwarz-grünes Bündnis bauen, derzeit will sie davon nichts wissen. Die neue Devise, die Hofreiter in der Fraktion verkündete, lautet vielmehr, die Grünen müssten sich öffnen - die Partei soll sich künftig alle Optionen offen halten, für Schwarz-Grün ebenso wie für Rot-Rot-Grün.
Das ist auch nötig, denn Schwarz-Grün rückt angesichts der Aversionen der CSU gegen eine solche Konstellation in weite Ferne. Zwar betonten alle Beteiligten einschließlich der Kanzlerin immer und immer wieder, dass man die Sondierungsgespräche mit den Grünen offen und seriös führen wolle. Doch seit Tagen sabotieren die Christsozialen eine mögliche Annäherung nach Kräften. CSU-Generalsekretär sagt es offen: Weder habe man große Lust sich mit Jürgen trittin an den Verhandlungstisch zu setzen - noch sehe man größere Schnittmengen mit den Grünen.