Düsseldorf. . Riskante Zinswetten sind für viele Kommunen zum finanziellen Alptraum geworden. Nach einem ersten Sieg vor dem Landgericht konnte die Stadt Ennepetal nun auch in der nächsten Instanz einen Erfolg verbuchen. Tenor: Die Geschäfte der WestLB waren unlauter - deswegen muss das Land für Verluste der Kommunen aufkommen.
Es ist ein Urteil, auf das 40 Kommunen in NRW mit bangem Blick geschaut haben. Als das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) am Montag der Stadt Ennepetal im Streit um riskante Zinswetten der untergegangenen Landesbank WestLB recht gab, keimte in vielen Rathäusern neue Hoffnung: Das OLG bestätigte, dass Ennepetal keine weiteren Zahlungen aus sogenannten Swap-Geschäften an die Abwicklungsanstalt des Landes (EAA) als Rechtsnachfolgerin der WestLB zu leisten habe.
Obwohl dieser beispielgebende Fall wohl in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landen wird, wächst nun die Zuversicht vieler Städte, unbeschadet aus ihren Finanzspekulationen zu finden. Motto: Ennepetal gut, alles gut.
58 Milliarden Euro Schulden
„Aktives Schuldenmanagement“ galt in der Kommunalpolitik lange als Zauberformel. Viele Stadtkämmerer betrachteten spekulative Finanzderivate, mit denen Zinskosten gesenkt oder abgesichert werden sollten, als Mittel zur Verbesserung der Haushaltslage. Auf den NRW-Kommunen lastet ein Gesamtschuldenberg von mehr als 58 Milliarden Euro.
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Besonders die rasant steigenden Liquiditätskredite – vergleichbar mit dem Dispo für Privathaushalte – schnüren die Luft ab. Auf der Suche nach immer neuen Möglichkeiten, Zinsen zu optimieren, war die ehemalige Landesbank WestLB offenbar besonders geschäftstüchtig zu Diensten.
Inzwischen haben sich eine Reihe von Kommunen als Selbsthilfegruppe „IG WestLB“ zusammengeschlossen. „Wichtig ist den Mitgliedern darzustellen, dass ihr Vertrauen von der eigenen Landesbank bewusst missbraucht wurde“, schreiben sie im Internet. Die Stadtoberen wollen nicht länger als Zocker hingestellt werden.
Kritik an den Banken
In diese Richtung zielte auch das Oberlandesgericht im Fall Ennepetal. Banken seien „auch einer Kommune gegenüber zu objektgerechter Beratung verpflichtet“, so das Gericht. Die Bank hätte bei Abschluss eines Zinsgeschäfts offenlegen müssen, dass bei der Wette auf die Zukunft ein Verlust für die Stadt als wahrscheinlichere Variante galt. Nur dieser Umstand habe das Geschäft für die WestLB attraktiv gemacht.
Insgesamt 40 NRW-Kommunen klagen gegen die WestLB und damit indirekt gegen das Land. Von verschiedenen Landgerichten liegen bereits 14 erstinstanzliche Urteile vor. Bis auf die Stadt Remscheid, die sich auf einen Vergleich einließ, obsiegten alle Städte.
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Wie hoch der Schaden für die landeseigene EAA werden könnte, lässt sich daran ermessen, dass bereits Rückstellungen in dreistelliger Millionenhöhe gebildet wurden. Die „IG WestLB“ hält das für kaum ausreichend: „Die Schäden bewegen sich im Milliardenbereich und wachsen täglich.“
Kämmerer ließen sich blenden
Der Steuerzahlerbund bemängelt, dass sich viele Kämmerer offenbar zu sehr von Simulationsrechnungen blenden ließen: „Das Vertrauen in die Beratung war zu groß. Die Bank hat bei Swap-Geschäften gegenüber jedem Kämmerer einen uneinholbaren Informationsvorsprung“, sagt Finanzexperte Eberhard Kanski. Nach dem Ennepetal-Urteil rät er allen Städten, alte Kreditverträge neu zu prüfen.
FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel fordert nun ein Umdenken beim Land. Es müsse geprüft werden, „ob eine Einigung mit den geprellten Kommunen für das Land günstiger ist als eine jahrelange Fortsetzung des Rechtsstreits“. Der Steuerzahler dürfe nicht unnötig „für das öffentliche Finanzcasino“ in Haftung genommen werden.