München. Der 21-jährige Halit Yozgat wurde in Kassel ermordet, vermutlich von der NSU-Terrorzelle. Seine Mutter appellierte nun im Münchner NSU-Prozess eindringlich an die Angeklagte Zschäpe, den Fall aufzuklären. “Denken Sie bitte immer an mich, wenn Sie sich ins Bett legen“, sagte sie.
Mit einem eindringlichen Appell hat sich am Mittwoch Ayse Yozgat, die Mutter des neunten Mordopfers, im NSU-Prozess an Beate Zschäpe gewandt. „Ich spreche als Mutter, als eine Geschädigte, als Mutter von Halit Yozgat. Ich bitte Sie, dass Sie all diese Vorfälle aufklären“, erklärte die Frau auf Türkisch. Ein Dolmetscher übersetzte ihre Worte. Sie hoffe, dass Beate Zschäpe als Frau sie verstehe. „Denken Sie immer an mich, wenn Sie sich ins Bett legen. Denken Sie immer daran, dass ich nicht schlafen kann“, beendete Ayse Yozgat ihren Appell an die Hauptangeklagte in dem Prozess.
Die Angesprochene verfolgte die Worte steif auf ihrem Platz sitzend.
Der Aufruf der Mutter des am 6. April 2006 in Kassel erschossenen Halit Yozgat erfolgte im Beisein von Generalbundesanwalt Harald Range. Dieser weilte zu Beginn des 42. Verhandlungstages überraschend auf der Zuschauertribüne im Schwurgerichtssaal A101 des Oberlandesgerichts in München. Die Tribüne war wie an den Vortagen gut gefüllt.
Der rechte Terror der NSUFür den Nachmittag hatte Richter Manfred Götzl Günther Högl-von Achenbach geladen. Der 66-jährige Historiker konnte aber die Zweifel an den Aussagen seiner Frau, die vom Montag geblieben waren, nicht ausräumen. Seine Frau hatte vor Gericht erklärt, dass sie Anfang April 2006 Beate Zschäpe in Dortmund gesehen haben will. Sollte die Aussage zutreffen, wäre das der erste richtige Hinweis darauf, dass die Hauptangeklagte in der Nähe eines der Tatorte gesehen wurde, die dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugeschrieben werden.
Historiker kann Aussagen seiner Frau nicht glaubwürdiger machen
Mit fehlendem Vertrauen in die örtliche Polizei erklärte der 66-Jährige, warum er und seine Frau sich nicht bereits nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 bei den Ermittlern gemeldet hatten. Es sei „nicht ratsam“ gewesen, sagte er. Auf die Nachfrage von Richter Götzl, warum er und seine Frau sich nicht an das Bundeskriminalamt (BKA) oder die Bundesanwaltschaft gewandt hätten, fand der Zeuge keine richtige Erklärung. Letztlich hatte sich seine Frau erst im Juni dieses Jahres an Thomas Bliwier, einen der Nebenklageanwälte gewandt.
Mehrfach versicherte der Zeuge, dass sich seine Frau mit ihrer Beobachtung völlig sicher ist. Sie sei eine gute Beobachterin, betonte er. Das wissenschaftliche Spezialgebiet des 66-Jährigen war die Zeit des Nationalsozialismus. Er war mehrere Jahre Leiter des Dortmunder Stadtarchivs und maßgeblich für die Konzeption einer Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus verantwortlich.
Nachbar-Ehepaar soll kommend Woche aussagen
„Grabungsarbeiten“ im Jahr 2005 auf einem Nachbargrundstück empfand der Zeuge als „konspirativ“. Auf drängende Nachfrage des Gerichts räumte er ein, dass er dachte, dort könnte im Zusammenhang mit Straftaten etwas verbuddelt werden. Als Götzl wissen wollte, wie er zu der Annahme gekommen sei, räumte der 66-Jährige ein, keine konkreten Hinweise darauf zu haben. Polizeiliche Ermittlungen sollen ergeben haben, dass damals dort ein Gartenteich angelegt wurde.
Das Nachbar-Ehepaar, welches das Grundstück damals nutzte, ist für kommenden Dienstag geladen. Die Frau soll eine gewisse Ähnlichkeit mit Beate Zschäpe besitzen.
Eine "Ceska 83" soll Tatwaffe bei neun Morden gewesen sein
Gestern hörte das Gericht zudem noch zwei Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA), die Spuren ausgewertet und verglichen hatten. Nach Aussage eines der beiden Beamte sollen Kriminaltechniker des BKA festgestellt haben, dass die im Brandschutt in Zwickau gefunden Pistole der Marke „Ceska 83“ die Tatwaffe bei den neun fremdenfeindlichen Morden war. Nachfragen von Zschäpe-Verteidger Wolfgang Heer, wie denn die Übereinstimmung konkret festgestellt wurde, blieben aber unbeantwortet. Dazu sollen offenbar weitere LKA-Experten aussagen.
Ein weiterer Kriminalbeamter erklärte, dass ein Video auf den im Brandschutz gefundene DVD in drei Fällen Opferfotos zeigt, die „direkt nach der Tat und nur von den Tätern gemacht worden sein“ konnten. Zudem sollen an zwei Zeitungsartikeln aus dem Brandschutt die Fingerabdrücke der Hautangeklagten Zschäpe sichergestellt worden sein. Der eine Artikel berichtet über das Nagelbombenattentat in der Keupstraße in Köln 2004, der andere über den Mord an Habil Kilic im August 2001 in München.
Wohnung des Trios ging in Flammen auf
Verteidigerin Anja Sturm erkundigte sich, ob überprüft worden sei, an welche Stelle die Artikel in den jeweiligen Zeitungen gestanden hätten. Das konnte der Zeuge nicht sagen.
Nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 war das letzte mutmaßliche Quartier von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der Zwickauer Frühlingsstraße explodiert. Die Bundesanwaltschaft wird deshalb Zschäpe Brandstiftung vor. Seit Anfang Mai wird wir dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in München gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte wegen der Verbrechen des NSU verhandelt. Der Prozess ist derzeit bis Ende des kommenden Jahres geplant.