Rom. Italiens Ministerpräsident Enrico Letta hat die Rückendeckung des gesamten Parlaments und kann seine Regierungsarbeit fortsetzen. Nach dem Senat sprach am Mittwoch auch das Abgeordnetenhaus seiner Regierung mit großer Mehrheit das Vertrauen aus.
Italiens Regierungschef Enrico Letta hat die Vertrauensfrage überstanden. Nachdem sich bereits am Nachmittag die Mehrheit des Senats hinter ihn gestellt hatte, sprach das Abgeordnetenhaus dem Ministerpräsidenten am Abend ebenfalls das Vertrauen aus.
Letta zeigt sich erfreut, gestärkt durch den Vertrauensbeweis die Arbeit seiner großen Koalition fortsetzen zu können. Das Land stecke noch tief in der Wirtschaftskrise, Reformgesetze müssten jetzt für Wachstum und Steuerentlastungen sorgen. Zudem wird es Lettas Ziel sein, eine dringende Wahlrechtsreform durchzubringen, damit bei dem nächsten Urnengang ein lähmendes Patt wie im Frühjahr vermieden werden kann. Diese Ziele verfolgt auch Staatschef Giorgio Napolitano, der mit Letta die Regierungskrise zu beenden suchte.
Silvio Berlusconi schwenkt um
In einem erneuten Schwenk hatte Silvio Berlusconi zuvor der Regierung von Letta Rückhalt gegeben. Seine Partei PdL (Volk der Freiheit) werde Letta das Vertrauen aussprechen, sagte der dreifache frühere italienische Ministerpräsident im Senat.
Zuvor hatte eine Gruppe von mehr als 20 Senatoren Berlusconis als "Abtrünnige" angekündigt, für Letta stimmen zu wollen. Berlusconi, der die Regierung stürzen wollte und Neuwahlen anstrebte, hatte daraufhin mit einer Spaltung seiner Partei rechnen müssen. Er hatte zunächst seine fünf Minister zum Rückzug aus der Regierung gezwungen, woraufhin in seiner Partei eine Revolte gegen die Loslösung von Letta ausbrach.
Auch PDL-Generalsekretär Angelino Alfano rief seine Partei auf, sich hinter Letta zu stellen. "Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere ganze Partei Letta in einer Vertrauensabstimmung unterstützen sollte", sagte Alfano. Es gebe keine Gruppen oder Fraktionen. Diese Position ist ein Affront gegenüber Berlusconi.
Zerrissenheit der Berlusconi-Partei ist Chance für Letta
Zuvor hatte bereits Senator Carlo Giovanardi von der PDL erklärt, es gebe in der Partei viel Verständnis für Berlusconis Kampf gegen seinen Ausschluss aus dem Parlament wegen Steuerbetrugs. Die Mehrheit der Senatoren und Abgeordneten wolle aber Lettas Links-Rechts-Koalition nicht stürzen. "Wir sind dafür, diese Regierung beizubehalten", sagte Giovanardi.
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Angesichts der Zerrissenheit der PDL wuchs Lettas Chance, eine Vertrauensabstimmung zu gewinnen. Ohne die Abtrünnigen hätte er keine Mehrheit im Senat.
Die Regierung war am Sonntag auseinandergebrochen, nachdem Berlusconi die fünf Minister seiner Partei Volk der Freiheit (PDL) aus dem Kabinett abgezogen hatte. Offizielle Begründung war die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt auf 22 Prozent. Letta warf hingegen Berlusconi vor, er nutze den Steuerstreit als Vorwand, um von seinen juristischen Problemen abzulenken. Dem wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilten Politiker droht der Ausschluss aus dem Senat. Am Freitag soll der Immunitätsausschuss darüber abstimmen.
Berlusconis Anweisung, die Regierung zu verlassen, sorgte für Aufruhr im eigenen Lager. Der Bruch war anscheinend auch nicht auf einem Krisentreffen am Montagabend zu kitten, wo Berlusconi die PDL zur Geschlossenheit aufrief. Zuvor hatten bis zu 20 PDL-Senatoren mit der Gründung einer eigenen Partei gedroht, sollte der 77-jährige Berlusconi seinen Konfrontationskurs gegen Ministerpräsident Letta nicht aufgeben und so das Land in Neuwahlen zu treiben.
Wirtschaft warnt vor Regierungskrise in Italien
Spitzenvertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften warnten vor den Folgen einer anhaltenden Regierungskrise. Letta steht für den von Anlegern und vielen Euro-Partnern geforderten Sparkurs in dem Land, das mit massiven Schulden und einer Rezession zu kämpfen hat.
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Die Jugendarbeitslosigkeit kletterte im August auf ein Rekordhoch. 40,1 Prozent der Italiener zwischen 15 und 24 Jahren waren ohne Job, wie die nationale Statistikbehörde Istat am Dienstag mitteilte. Dies ist der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 1977.
Berlusconi warf Präsident Napolitano vor, es fehle ihm an Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, denn er habe es versäumt, ihn vor der Verfolgung durch die Justiz zu schützen. "Wie kann jemand verlässlich sein, ... wenn er es zulässt, dass auf den wichtigste Regierungspartner mit juristischen Mitteln ein politisches Attentat verübt wird", empörte sich Berlusconi in einem Schreiben an das Wochenmagazin "Tempi". (rtr/dpa)