Düsseldorf. . Im Landesverband NRW ist der Widerstand gegen die schwarz-rote Koalition am größten. Zu tief sind die Wunden, die die Vernunftehe von 2005 bis 2009 hinterlassen hat. Doch die SPD weiß auch, dass sie sich nicht verweigern darf. Staat geht vor Partei, sagt selbst NRW-Landeschefin Hannelore Kraft.

Pest und Cholera oder große Koalition – was ist schlimmer? In der NRW-SPD wirkt der Ausgang der Bundestagswahl gleichsam wie der Erreger einer Krankheit, die schon einmal die Partei völlig ausgemergelt hat. Die Aussicht, nach ihrem Allzeit-Rekordtief von 23 Prozent vor vier Jahren erneut eine Regierung mit der Merkel-CDU bilden zu müssen, trifft nirgends auf so erbitterte Vorbehalte wie im größten Landesverband. Die Basis stemmt sich dagegen, und führende Genossen in Düsseldorf schüren vor dem SPD-Konvent am Freitag den Widerstand.

Was schon vor der 18-Uhr-Prognose am Wahlabend eingesetzt hatte und am Montag im Landesvorstand schwarz auf weiß festgezurrt worden war, setzte sich in der Sitzung der Landtagsfraktion fort. Kein Redner ließ ein gutes Haar an der großen Koalition. Aus Ortsvereinen wurde berichtet, Mitglieder hätten mit Parteiaustritt gedroht, falls sich die SPD mit der CDU einlässt. "Ich kann aus dem Wahlergebnis keinen direkten Regierungsauftrag für die SPD herauslesen", sagte der Bochumer Vorsitzende Thomas Eiskirch dieser Zeitung.

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"Lasst euch nicht bekloppt machen", warnte Oberhausens SPD-Chef Michael Groschek mit markigen Worten die Genossen, "es kann auch Vaterlandspflicht sein, auf den Oppositionsbänken zu landen". In der Düsseldorfer Parteizentrale, die eilig das Vorstandsvotum ("Der Ball liegt im Feld der Kanzlerin") an die Unterbezirke verschickt hatte, liefen schon in der Nacht zum Dienstag erfreute Rückmeldungen ein. "Bei uns will niemand eine große Koalition", echote Hermann Verborg aus Münster, und Sven Wolf aus Remscheid schrieb, er sei "stolz" auf den Landesvorstand: "Klasse Beschluss!"

Schwarz-Rot bleibt Option

Aber mindestens so groß wie die Angst vor einem schwarz-roten Regierungsbündnis ist die Sorge vor Konsequenzen, falls man sich ihm verweigert. Zwar weicht Landeschefin Hannelore Kraft auf die Frage nach möglichen Neuwahlen aus: "Wir sind am Anfang eines Prozesses, da sollte man nicht über seinen Ausgang reden."

Doch tatsächlich schiebt die SPD den Gedanken an einen zweiten Urnengang ganz weit von sich. Zu hoch scheint das Risiko, bei einer Neuauflage selbst Stimmen zu verlieren, der CDU zur eigenen Mehrheit zu verhelfen oder die FDP, womöglich sogar die Anti-Euro-Partei AfD doch noch über die Fünf-Prozent-Hürde zu hieven.

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Es ist das strategische Dilemma, in dem auch die NRW-SPD steckt. Einerseits will sie das Parteivolk, das von den Folgen der Regierung Merkel/Steinmeier noch traumatisiert ist, nicht verschrecken, und selbst ein Mitgliederentscheid ist denkbar. Andererseits könnte sie Gesprächen mit der CDU nicht ausweichen und treibt dafür die Preise hoch. Um die Seelenmassage an der Basis kümmert sich Norbert Römer. Der Chef der Landtagsfraktion wird nicht müde, in jedes Mikrofon zu sagen, eine große Koalition sei "kein Thema".

Beschluss der SPD-Landesspitze ist keine Blockade

Ist sie aber doch. Denn so distanziert die SPD-Landesspitze ihren Beschluss auch formuliert hat – eine Blockade ist er nicht, sondern erhält sich Schwarz-Rot als Option. Kraft weiß, wie schnell sich Sozialdemokraten bei einer Totalverweigerung den gängigen Vorwurf einhandeln, "vaterlandslose Gesellen" zu sein. Wohl auch deshalb sagte sie vor der Fraktion: "Staat geht natürlich über Partei, aber nichtsdestotrotz gibt es eine hohe inhaltliche Mauer."

Gerechtigkeit, soziale Sicherheit, eine "auskömmliche" Finanzpolitik und starke Kommunen hat die SPD an Rhein und Ruhr als "Messlatte" für mögliche Gespräche mit der Union fixiert. Nicht nur die Ortsvereine signalisieren in E-Mails zu dieser Linie ihre Zustimmung, auch Landesverbände wie Hessen, Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen ziehen mit. Gegen diesen Block wird beim Parteikonvent in Berlin wenig gehen. 50 der 200 Delegierten kommen aus NRW.