Essen. . Der Schrecken beginnt meist inmitten der Familie: Bei mehr als jedem zweiten Missbrauchsfall in NRW ist der Täter im direkten Umfeld des Kindes zu finden. Die Zahl der Anzeigen stagniert in NRW mit 2650 Fällen pro Jahr auf einem hohen Niveau. Experten erheben schwere Vorwürfe gegen die Politik.

Trotz aller Initiativen zur ­Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs an Kindern sind die Fallzahlen in NRW kaum verändert. Nach Recherchen der WAZ werden noch immer jährlich mindestens 2500 sexuelle Vergehen an Kindern bei der Polizei angezeigt. Dies zeigen die NRW-Kriminalstatistiken. Ursula Enders, Leiterin der Kölner Beratungsstelle „Zartbitter“, ist enttäuscht von den Bemühungen, Missbrauch zu bekämpfen: „Die bitterste Erfahrung ist das Versagen der Politik in den letzten drei Jahren.“

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Die ergriffenen Maßnahmen hält Enders für unkoordiniert. Die großen Kampagnen des Bundesfamilienministeriums, des Landes, des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung und der Polizei seien unabgestimmt parallel gelaufen und hätten nichts gebracht. „Da wird meist nur Kosmetik betrieben. Und anschließend bleibt alles beim Alten.

Beratungsstellen bekommen weniger Geld als in den 90er-Jahren

“ Tatsächlich fehle es den Beratungsstellen vor Ort an Geld – trotz aller politischen Bekundungen, helfen zu wollen. Enders erklärt: „,Zartbitter’ bekommt vom Land NRW für die vier Beraterstellen heute de facto weniger Geld als Mitte der 90er-Jahre. Der Betrag wurde gekürzt, weder steigende Lohn- noch Sachkosten wurden ausgeglichen.“

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Von Florian Bickmeyer, Pirkko Gohlke, Jennifer Rüdinger, Gianna Schlosser und David Schraven

In den Statistiken des Landeskriminalamtes NRW sind über die Jahre nur leichte Schwankungen in den Fallzahlen zu sehen: Vor den Skandalen um Kindesmissbrauch an Internaten oder in der Kirche wurden im Jahr 2009 in NRW 2508 Fälle angezeigt. Ein Jahr nach den Skandalen, also 2011, wurden 2754 Fälle aktenkundig. Im Jahr 2012 lag die Zahl bei 2688 Fällen.

Nur jeder fünfte Missbrauchsfall wird angezeigt

Das Dunkelfeld der nicht angezeigten Fälle ist groß: Nach einer Studie des Kriminolo­gischen Forschungsinstituts Niedersachsen zeigt nur jedes fünfte Opfer einen sexuellen Übergriff an. Hochgerechnet auf die 2012 hierzulande bekanntgewordenen Fälle würde dies für NRW mehr als 13.400 Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern bedeuten. Die Taten ereignen sich meist im vertrauten Umfeld eines Kindes. Im Jahr 2012 kannten sich Täter und Opfer laut Statistik in mehr als 60 Prozent der Fälle.

Weitere Berichte, Dokumentationen und Interviews finden Sie auf unserem Blog über sexuellen Missbrauch in NRW. Wir recherchieren weiter über sexuellen Missbrauch in NRW. Und wir interessieren uns für Ihre Infos. Sie haben Tipps oder Hinweise? Dann kontaktieren Sie uns, gerne auch vertraulich. Über das oben genannte Blog erreichen Sie uns anonym. Sie können uns auch direkt schreiben an recherche@waz.de