New York. . UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat den lange erwarteten Bericht seiner Syrien-Ermittler vorgestellt. Er besagt: Es war Giftgas. Er deutet an: Es war das Regime. Doch im Kampf um die Deutungshoheit geht eine wichtige Nachricht aus dem Iran fast unter.
Die Sprache des 38-Seiten-Dokuments ist demonstrativ technisch-neutral, die implizite Botschaft jedoch eindeutig. Es waren die Streitkräfte des syrischen Regimes, die am 21. August durch „einen relativ massiven Einsatz“ von Chemiewaffen in zwei Vororten von Damaskus ein Massaker an der Zivilbevölkerung angerichtet haben. Die von den UN-Experten erhobenen Befunde „lassen uns in tiefster Sorge“, schreibt Teamchef Ake Sellström in seinem Bericht an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.
In Blut, Urin und Haaren von 34 der 36 untersuchten Opfer wurde das Giftgas Sarin nachgewiesen, ebenfalls in der Mehrheit der Bodenproben und Raketenfragmente. Die auf dem Schlachtfeld gefundenen Geschosse lassen sich zwei Raketentypen zuordnen, die nicht in Untergrundwerkstätten der Rebellen gefertigt sein können.
Zum einen handelt es sich um M14 Artillerieraketen russischer Herkunft, die nach Erkenntnissen der UN-Inspektoren von einem Multiraketenwerfer abgefeuert wurden und eine kyrillische Kennung tragen. Zum anderen fanden die UN-Experten 134 Zentimeter lange Raketen, auf denen drei rote Zahlen aufgesprüht waren und deren Gefechtsköpfe nach ihren Berechnungen eine Kapazität von rund 50 Litern haben.
Die Fakten sprächen für sich, sagt der UN-Chef diplomatisch
„Die Fakten sind überwältigend und unwiderlegbar, sie sprechen für sich“, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, als er am Montag die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates über den Abschlussbericht informierte. Anschließend begann das Weltgremium, über eine neue Syrien-Resolution zu beraten, welche den am Wochenende zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow erarbeiteten Fahrplan zur Vernichtung des syrischen Giftgasarsenals festschreiben soll. Nach dieser Übereinkunft hat Damaskus eine Woche Zeit, eine komplette Liste seiner Chemiewaffenanlagen und -depots vorzulegen. Bis November sollen UN-Inspekteure diese Angaben überprüfen, bis Mitte 2014 soll das gesamte Arsenal sichergestellt und vernichtet sein.
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Offiziell darf Ban Ki-moon nicht im Namen der Vereinten Nationen feststellen, wen die Weltorganisation für das Giftgas-Massaker verantwortlich macht. Bei seiner Präsentation am Montag jedoch sprach der UN-Chefdiplomat von einem „Kriegsverbrechen und einer schweren Verletzung des Genfer Protokolls von 1925“. Syrien hat die Konvention im Jahr 1968 unterzeichnet. Sie verbietet „die Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von biologischen Mitteln im Krieg“.
Russland und der Iran beschuldigten die Rebellen
Noch letzte Woche hatte Russlands Präsident Wladimir Putin Vorwürfe, das Regime stecke hinter dem Massenmord mit Chemiewaffen, als „absoluten Unsinn“ angetan. Auch der Iran als regionaler Hauptverbündeter Syriens beschuldigte die Rebellen.
Die Aufmerksamkeit von internationalen Waffenexperten hatte sich in den letzten Wochen bereits vor allem auf die beiden Raketentypen konzentriert, die mit dem Giftgasangriff am 21. August in Verbindung gebracht werden. Nach Erkenntnissen von Fachleuten wie Nic Jenzen-Jones vom Blog „The Rogue Adventurer” sowie Eliot Higgins vom Blog „Brown Moses“ existieren offenbar von jedem Typ zwei Varianten, einer mit einer extrastarken Sprengladung und einer mit Giftgasfüllung.
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Bereits kurz nach dem Massaker hatte die Zeitung „The National“ aus Dubai unter Berufung auf eine „mit dem Regime und der Opposition gut vernetzten Familie“ berichtet, die Raketen seien nur wenige Stunden vor dem Angriff angeliefert worden. Die lokalen Kommandeure und auch ein Teil der Transportfahrer habe nicht gewusst, dass es sich um die Giftgasvariante gehandelt habe. Offenbar unterscheiden sich die Raketen nach außen nur durch die Farbe der aufgemalten Produktionsnummern. Der konventionelle Sprengstofftyp trägt blaue Zahlen, der Giftgastyp rote Zahlen.
Nun geht der Iran erstmals auf Distanz zu Assad
Unterdessen ging Assads jahrzehntelanger Verbündeter Iran erstmals auf Distanz zum syrischen Präsidenten und erklärte sich bereit, auch einen anderen syrischen Staatschef zu akzeptieren. Es gehe im Syrienkonflikt nicht um Assad, sagte am Montag der iranische Präsident Hassan Rouhani in einer Rede vor Kommandeuren der Revolutionsgarden in Teheran. „Syrien muss in erster Linie zur Stabilität zurückfinden. Wen immer die syrischen Bürger an die Spitze ihres Landes wählen, wir sind mit ihm einverstanden“, sagte Rouhani laut Nachrichtenagentur Irna.