Washington. . Assad muss nun seine Chemiewaffendepots offenlegen und vernichten. Experten bezweifeln, dass das funktioniert. Die USA halten jedenfalls die Drohung aufrecht, militärisch einzugreifen, sollte Damaskus seine Zusagen nicht einhalten.
Von „absoluter Enttäuschung“ (syrische Opposition) bis zu einem „wichtigen konkreten Schritt“ (US-Präsident Obama) reichen die internationalen Reaktionen nach dem diplomatischen Durchbruch in der Krise um das syrische Chemiewaffen-Arsenal.
Die Außenminister Amerikas und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, hatten am Wochenende nach dreitägigen Verhandlungen in Genf verkündet: Syrien muss seine auf 1000 Tonnen geschätzten Giftgas-Depots bis zum 21. September offen legen, im November von Experten der Vereinten Nationen begutachten und bis Mitte nächsten Jahres vollständig zerstören lassen.
Barack Obama stellt darum seine Pläne für einen Militärschlag gegen das Assad-Regime wegen der Giftgas-Anschläge vom 21. August zurück. Allerdings behält er sich eine gewaltsame Strafaktion vor, falls das Regime in Damaskus seine Zusagen nicht einhalten sollte. US-Außenminister Kerry sagte: „Es gibt keinen Raum für Spielchen oder Vermeidung, es kann nur die volle Befolgung durch das Assad-Regime geben.“
Hat Assad zu viel Zeit, um Waffen zu verstecken?
In den Stellungnahmen vieler Regierungen (Frankreich, England, Deutschland etc.) klang am Wochenende trotz gewisser Erleichterung reichlich Skepsis durch, ob sich die Regierung in Damaskus an die Vereinbarungen halten wird. Israel kritisierte, Assad sei zu viel Zeit eingeräumt worden. Er könne bis zum Eintreffen der UN-Inspekteure viele Chemiewaffen verstecken oder außer Landes schaffen lassen.
Den größten Pessimismus ließen die einflussreichen US-Senatoren John McCain und Lindsey Graham erkennen. Die Republikaner, die zuletzt nicht nur einen Militärschlag sondern die gewaltsame Absetzung Assads gefordert hatten, erklärten, dass Assad nur Zeit schinden und die Weltgemeinschaft täuschen werde. Das Verhandlungs-Ergebnis von Genf sei der Start in eine „diplomatische Sackgasse“ und werde als „aufreizendes Zeichen der Schwäche Amerikas“ verstanden.
Ähnlich äußerte sich der Führer der oppositionellen Freien Syrischen Armee, Salim Idriss. Die Initiative sei „Zeitverschwendung“ und gebe Assad die Gelegenheit, im Bürgerkrieg mit konventionellen Waffen und militärischer Hilfe aus Moskau und Teheran weitere Geländegewinne zu erzielen. Nur ein US-Militärschlag könne aber die Gewichte im Bürgerkrieg zugunsten der Opposition verschieben.
Viele Giftgaslager liegen in umkämpften Gebieten
Der Kompromiss von Genf gelang nur, weil die USA darauf verzichtet haben, in der Schluss-Vereinbarung eine automatische Gewaltanwendung festzuschreiben – für den Fall, dass Assad die Vernichtung der Chemiewaffen verzögern oder hintertreiben sollte.
Weil Russland bereits angedeutet hat, dass es im UN-Sicherheitsrat einer militärischen Bestrafung Assads nicht zustimmen wird, jede Gewaltandrohung in einer Resolution somit wertlos wäre, müsste US-Präsident Obama im Falle eines Falles auf eigene Faust handeln.
Mit der nach Umfang und Zeitrahmen beispiellosen Aufgabe der Waffen-Beseitigung wird die in Den Haag ansässige „Organisation für das Verbot von Chemiewaffen“ (OPCW) betraut. Experten bezweifeln, dass die Kontrolleure ihren Job in der kurzen Frist erledigen können. Da etliche der 50 vermuteten Giftgas-Lager in umkämpften Gebieten liegen, ist die Sicherheitsfrage entscheidend. Die Opposition in Syrien hat aber bereits erklärt, dass sie keinen Waffenstillstand gewähren will.
75.000 Soldaten für die Sicherung der Chemie-Depots
US-Militärs hatten vor Monaten die Zahl von Soldaten, die zur Sicherung der syrischen Chemiewaffen-Depots nötig seien, auf 75.000 geschätzt. Fachleute verschiedener amerikanischer Universitäten halten es für nicht machbar, Syrien bis zum nächsten Sommer von sämtlichen Chemiewaffen zu befreien. Die Prozesse zur Beseitigung der hoch gefährlichen Stoffe seien „langwierig und kostspielig“. In UN-Kreisen wurde daran erinnert, dass Amerika seit fast 30 Jahren seine eigenen Giftgas-Bestände schrittweise zerstört und dafür bereits 35 Milliarden Dollar ausgegeben hat. Eine Ende der Arbeiten ist nicht abzusehen.