Detmold. Der Altkanzler heizt ein, der Kandidat erntet Applaus. Vor 4500 Menschen in Detmold haben Gerhard Schröder und Peer Steinbrück die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes für die SPD eröffnet.
Altkanzler Gerhard Schröder hat seiner Nachfolgerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen, den Deutschen die Unwahrheit über die Kosten der europäischen Schuldenkrise zu sagen. "Mit Vertuschen und Verschleiern gewinnt man kein Vertrauen des Volkes, sondern nur mit Klartext", sagte Schröder am Dienstagabend bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Detmold. Während Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein drittes Hilfspaket für Griechenland andeute, sehe Merkel das nicht. "Möglicherweise hat sie die falsche Brille aufgehabt", so Schröder.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erinnerte vor 4500 Zuhörern daran, dass Merkel 2010 noch angekündigt habe, dass es für Griechenland keinen Cent geben werde. Es werde aber etwas kosten. Schröder forderte, in Wahlkämpfen gehöre die Wahrheit auf den Tisch. Er sprach von einer "ganz großen Lüge", die zu den Kosten der Euro-Krise verbreitet werde. Deutschland werde zahlen müssen für die europäische Schuldenkrise.
Gerhard Schröder glaubt an Peer Steinbrück
Für seine Partei zeigte er sich zuversichtlich: "Ich bin mir sicher, dass es am Ende für Rot-Grün reicht und Peer Steinbrück Bundeskanzler wird", sagte Schröder zum Auftakt des Straßenwahlkampfes der SPD einen Monat vor der Bundestagswahl am 22. September. Steinbrück erinnerte daran, wie er vor vier Jahren in Detmold mit dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier am Tag vor der Wahl um Stimmen geworben habe. Nun werde hier im bevölkerungsreichsten Bundesland, in dem Steinbrück auch seinen Wahlkreis (Mettmann I) hat, die heiße Wahlkampfphase eröffnet.
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Nach Irritationen vom Wochenende versicherte Steinbrück erneut, dass es unter einer SPD-Regierung bei den Steuerplänen bleibe. Der Spitzensteuersatz soll ab einem zu versteuernden Einkommen von 100 000 Euro auf 49 Prozent steigen, um Mehrausgaben für Bildung und Infrastruktur sowie einen Schuldenabbau zu finanzieren.
Steinbrück wirbt für den Mindestlohn
Zugleich bekräftigte Steinbrück das Ziel eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. Es gebe sieben Millionen Menschen, die weniger als 8,50 Euro verdienen. Der Mindestlohn sei nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Beschäftigte mit Mindestlohn würden dann künftig Sozialabgaben zahlen. Zudem müsse der Steuerzahler dann nicht mehr die Kosten für die "Aufstocker" tragen, immerhin zehn Milliarden Euro im Jahr.
Steinbrück betonte, er wolle nach einem Wahlsieg das "unselige Betreuungsgeld" abschaffen und in die Kinderbetreuung stecken. Er wünsche sich ein Land, das stark sei, weil es sozial gerecht sei. "Und ich will ein Land, wo es nicht wichtig ist, woher jemand kommt, sondern wo er hinwill."
"Rolle rückwärts" bei Union und FDP
Schröder sagte über seine Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010: "Was wir wirtschaftspolitisch gemacht haben, hat Deutschland stärker gemacht." Union und FDP machten nun eher eine "Rolle rückwärts".
Steinbrücks Schattenkabinett
Schröder will bei insgesamt drei Großveranstaltungen mit Steinbrück auftreten. Steinbrück war in NRW von 2002 bis zur Wahlniederlage 2005 Ministerpräsident. Schröder, in Lippe geboren, war von 1998 bis 2005 Kanzler, heute ist der 69-Jährige Anwalt und Aufsichtsratschef von Nord Stream, dem Betreiber der Ostsee-Gastrasse von Russland nach Deutschland. Das Konsortium gehört zu 51 Prozent dem russischen Staatskonzern Gazprom. (dpa)