Berlin. Wirtschaftsexperte, SPD-Mitglied, Aufgaben in Regierung und Bundestag, Ost-Verwandtschaft: Kein Wunder, dass sich die Stasi in den 80er Jahren für Peer Steinbrück interessierte. Ein angeheirateter Cousin in Thüringen will die Bespitzelung jedoch verweigert haben.

Die DDR-Staatssicherheit hat laut "Welt am Sonntag" in den 80er Jahren auch den heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ins Visier genommen. Nach Recherchen des Blattes hatte die Stasi den damaligen politischen Referenten von 1980 bis 1989 auf einer Karteikarte als Person erfasst, die angesprochen werden sollte. Der Mann einer Cousine Steinbrücks in Thüringen, der Schauspieler Lutz Riemann, räumte auf Anfrage der Zeitung eine Stasi-Mitarbeit ein, betonte aber, eine Bespitzelung Steinbrücks verweigert zu haben.

Steinbrück selbst erklärte der Zeitung, dass er niemals mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) oder einem anderen ausländischen Geheimdienst zusammengearbeitet habe. Aus SPD-Kreisen verlautete am Sonntag, dass der Kanzlerkandidat noch in dieser Woche seine gesamte Stasi-Akte im Internet veröffentlichen wolle, um dies zu belegen. Die "Welt am Sonntag" schrieb selbst, Belege für eine Geheimdiensttätigkeit Steinbrücks lägen nicht vor.

Steinbrück angeblich als "Vorlauf-IM" erfasst

Die Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen wollte sich am Sonntag nicht zu dem Fall äußern. Laut "Welt am Sonntag" hatte das MfS Steinbrück als "Vorlauf-IM" erfasst. Darunter verstand die Stasi nach einem Abkürzungsverzeichnis der Unterlagenbehörde eine "Person, die mit dem Ziel der Gewinnung zur inoffiziellen Zusammenarbeit in einem Vorgang erfasst war".

Behördensprecherin Dagmar Hovestädt erläuterte auf dpa-Anfrage, ein "IM-Vorlauf" sei der bürokratische Vorgang, den die Stasi angelegt habe, wenn sie eine Person als mögliche Informationsquelle nutzen wollte. Experten weisen darauf hin, dass dies unzählige Male geschehen sei, ohne dass der Betroffene dies je erfahren habe.

Angeheirateter Cousin gab Stasi-Tätigkeit zu

Der Mann von Steinbrücks Cousine in Thüringen, der Schauspieler Riemann, gab auf Anfrage der "Welt am Sonntag" eine Stasi-Tätigkeit zu. 1984 habe er seine Zusammenarbeit mit dem MfS beendet. "Ich habe mich auch geweigert, Peer Steinbrück zu bespitzeln", wurde Riemann zitiert.

Steinbrück war 1981 - nach einer Mitarbeit im Kanzleramt - kurzfristig bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin tätig, wo er in der Abteilung Wirtschaft beschäftigt war. Danach wurde er persönlicher Referent beim damaligen Bundesforschungsminister Andreas von Bülow (SPD) und Referent der SPD-Bundestagsfraktion. 1985 wechselte Steinbrück nach Nordrhein-Westfalen, wo er bis 1990 als Büroleiter von Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) arbeitete. (dpa)