Kairo/Brüssel. Als die Polizei die Wohnung stürmt, leistet der oberste Muslimbruder Badia keinen Widerstand. Seine Bewegung will in Ägypten weiterkämpfen. Auch ElBaradei soll vor Gericht erscheinen. Er ahnte wohl, dass es Ärger geben würde, und war deshalb schon vor der Klageerhebung ausgereist.

Die neuen ägyptischen Machthaber haben zu einem weiteren Schlag gegen die Islamisten ausgeholt. Polizisten verhafteten das Oberhaupt der Muslimbruderschaft, Mohammed Badia, in einer Wohnung in Kairo, in der er sich versteckt hatte. Die Islamisten-Bewegung will ihren Kampf dennoch fortsetzen: Ein Sprecher der Bewegung teilte am Dienstag mit, Badia sei letztlich auch nur eines von vielen Mitgliedern der Bruderschaft, die tief in der ägyptischen Gesellschaft verankert sei. Die Kampagne gegen den "Militärputsch" werde weitergehen. Mahmud Essat, ein Stellvertreter Badias, wurde zum "temporären Oberhaupt" der Bewegung ernannt.

Nicht nur Badia, sondern auch Mohamed ElBaradei droht Ungemach durch die ägyptische Justiz. Das Nachrichtenportal "Al-Ahram" berichtete, ein Prozess gegen den Friedensnobelpreisträger werde in Kairo am 19. September beginnen. Der Kläger: ein Jura-Professor. Dieser sei der Ansicht, ElBaradei habe durch seinen Rücktritt als Vizepräsident das in ihn gesetzte "Vertrauen verraten". Fraglich ist, ob ElBaradei zu dem Termin erscheinen wird. Er war am Sonntag nach Österreich ausgereist.

Dutzende Führer der Muslimbrüder verhaftet

Badia war am Montag in der Nähe des von der Polizei geräumten Protestlagers der Islamisten an der Rabea-al-Adawija-Moschee im Kairoer Stadtteil Nasr-City verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, zur Gewalt aufgerufen zu haben. Seit der Räumung der Protestlager in Kairo am vergangenen Mittwoch sind mehrere Dutzend Führungspersönlichkeiten der Muslimbruderschaft verhaftet worden. Zudem wurden hunderte Anhänger der Bewegung festgenommen, die für die Rückkehr von Präsident Mohammed Mursi demonstriert hatten.

Mehrere westliche Regierungen hatten die neue ägyptische Führung scharf kritisiert, nachdem Anschläge, Polizeigewalt und Straßenkämpfe in den vergangenen Tagen mehr als 800 Tote gefordert hatten. Sie mahnen eine Versöhnung der Übergangsregierung mit den vom Militär entmachteten Muslimbrüdern an. Deutschland und einige andere europäische Staaten strichen Hilfsprojekte, um den Druck zu erhöhen.

Sondersitzung der EU-Außenminister

Die EU-Außenminister wollten bei einer Sondersitzung am Mittwoch in Brüssel (13 Uhr) die Fortsetzung ihrer Finanz- und Militärhilfen für das Land überprüfen. Die USA sollen zudem Medienberichten zufolge einen Teil ihrer milliardenschweren Militärhilfe für Ägypten vorübergehend auf Eis gelegt haben.

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Die Regierung von Präsident Barack Obama wolle einige der Mittel "umprogrammieren", berichtete der Nachrichtensender CNN unter Berufung auf das Büro des demokratischen Senators Patrick Leahy.

Der ägyptische Militärchef Abdelfattah al-Sisi verlässt sich derweil auf Saudi-Arabien: Die Zeitung "Al-Sharq Al-Awsat" berichtete am Dienstag, Al-Sisi habe sich in einem Telefonat mit dem saudischen Kronprinzen Salman bin Abdelasis Al-Saud für die Unterstützung des Königreichs bedankt. Außenminister Prinz Saud al-Faisal hatte zuvor erklärt, die arabischen Staaten könnten, falls westliche Hilfen eingestellt werden sollten, diese ausgleichen. Am Dienstag empfing Ägyptens Ministerpräsident Hasim al-Beblawi eine Delegation aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die nach Informationen des Nachrichtenportals "youm7" wirtschaftliche Kooperation anbot.

Für Kritiker war Badia der Strippenzieher hinter Mursi

Mitglieder und Sympathisanten der Muslimbruderschaft starteten derweil nach der Verhaftung Badias eine Kampagne im Kurznachrichtendienst Twitter unter dem Motto "Ich bin der Murschid".

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"Murschid" ist der Titel des Oberhauptes der Muslimbrüder. Die Gegner der islamistischen Regierung hatten während ihrer Protestaktionen, die am 30. Juni in einer Massenkundgebung mit Millionen von Teilnehmern endete, "Nieder mit der Herrschaft des Murschid" gerufen, weil Badia aus ihrer Sicht der Strippenzieher und Mursi seine Marionette war.

Der ägyptische Politologe Hassan Nafaa sagte, die Verhaftung des "Murschid" sei ein Schritt von großer Bedeutung. Möglicherweise wolle die Übergangsregierung Badia dazu bewegen, beruhigend auf seine Anhänger einzuwirken. "Es ist aber auch möglich, dass seine Verhaftung noch mehr unterdrückte Wut auslösen wird." Die Krise in den Beziehungen zwischen Ägypten und mehreren westlichen Staaten werde wahrscheinlich nur vorübergehend sein, meinte Nafaa. "Denn es ist nicht im Interesse des Westens, sich gegen Ägypten zu stellen." (dpa)