Essen. Lutz O. hat Daten einer Schweizer Bank über mutmaßliche Steuerhinterzieher an die Oberfinanzdirektion Münster verkauft. Glück brachte ihm das nicht. Jetzt steht der passionierte Golfspieler vor Gericht. Ihm drohen anderthalb Jahre Gefängnis nach einem „abgekürzten Verfahren“.

Lutz O., 54, ist ein passionierter Golfspieler. Er ist ein versierter IT-Techniker und als Nachbar im Städtchen Auw bei Zürich als zurückhaltend und hilfsbereit bekannt. Er ist aber auch ein Datendieb von der Sorte, die in letzter Zeit das seit 1933 bestehende Schweizer Bankgeheimnis gerne zugunsten der Landeskasse von Nordrhein-Westfalen sprengt.

O. hat die Zürcher Privatbank Julius Bär 2011 um 2700 Datensätze mit Namen und Konten deutscher Steuersünder erleichtert und die Beute für 1,1 Millionen Euro an die Steuerfahnder der Oberfinanzdirektion Münster verkauft. Am Donnerstag steht der längst geständige Deutsche aus Göttingen deshalb in Bellinzona vor dem Bundesstrafgericht der Schweiz.

Die Rolle des Vermittlers

Wegen Wirtschaftsspionage, so zeichnet es sich ab, wird er nach einem „abgekürzten Verfahren“ eineinhalb Jahre ins Gefängnis gehen müssen. Vielleicht wird ihm das Jahr U-Haft in der Haftanstalt von Zug angerechnet. Dann kann er 2014 wieder auf den Golfplatz.

Auch interessant

In der Geschichte des O. spielt die Leidenschaft Golf eine zentrale Rolle. Sie führt zu einer zweiten, nach Schweizer Lesart ebenso verdächtigen Person. Es war das Golfspiel, das den Göttinger – zufällig? – mit einem pensionierten deutschen Steuerfahnder zusammengebracht hatte. Irgendwann muss das Gespräch der beiden auf die drückende Steuerschuld gekommen sein, die O. in Deutschland beim Umzug in die Schweiz zehn Jahre zuvor hinterlassen hatte. Viel Geld. Rund eine Million Euro.

Geschäft eingeredet?

War es dieser Ex-Fahnder, der, mit 26 Dienstjahren auf dem Buckel sicher ein treuer Staatsdiener, seinem in der Schweiz lebenden Bekannten das scheinbar einträgliche Geschäft aufschwatzte, die Daten von Steuersündern am Arbeitsplatz bei der Bank Bär abzugreifen und auf einer Sammel-CD den nordrhein-westfälischen Behörden anzubieten?

Es ist die eine spannende Frage in diesem Steuer-Krimi. Die Berner Ermittler gehen in der Anklage davon aus, dass der frühere Finanzbeamte den IT-Mann „angeregt“ hat. Sie fahnden nach dem Vermittler wegen „Beihilfe“, haben ein Rechtshilfeersuchen an Deutschland gestellt. Sie wollen mit dem Mann reden.

O. plünderte im Herbst 2011 die Rechner der Bank. Er übermittelte die Dateien mit insgesamt 15 E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account in Auw und begann zu Hause zu sortieren: Fälle, in denen Konten über 100 000 Euro, Franken, Pfund oder Dollar aufwiesen, schickte er – nach einer Probesendung – dem Freund und Ex-Fahnder, der das gemeinsame Geschäft inzwischen vom Wohnort Berlin aus managte.

NRW griff zu

Nordrhein-Westfalens Finanzbehörden haben schließlich gekauft und damit die Hinweise auf rund 1000 Fälle möglicher Steuerhinterziehung erworben. Durch Steuernachzahlungen hat sich der Lohn für O. also längst gerechnet. Doch vollständig geflossen sind die mit ihm vereinbarten 1,1 Millionen Euro nicht. Was war los bei der Übergabe? Es ist die zweite offene Frage.

Auch interessant

Februar 2012. O. reist in die deutsche Hauptstadt. Hier bekommt er gerade 200 000 Euro in bar. Der große Rest? Bleibt gleich in der deutschen Staatskasse. Mit ihm habe der einstige Steuerflüchtling „anonym“ die Steuerschuld begleichen wollen, stellen die Schweizer Ankläger fest. Das vermittelt wieder der Ex-Fahnder. Ob der Vermittler wirklich das Geld bei deutschen Fiskus abgeliefert habe, das sei ihnen unbekannt.

Keine Chance in Holland

O. hat am Ende nicht viel von den übrig gebliebenen 200 000 Euro gehabt. Ein weiterer Verkaufsversuch im Juni – Daten von niederländischen Steuerhinterziehern werden für 400 000 Euro den Behörden in Den Haag angeboten – scheitert. Die Holländer kaufen keine Steuerdaten aus anonymen Quellen und verweisen dabei auf ihre moralische Grundüberzeugungen. Noch einmal vier Wochen später klicken in der Bank Julius Bär die Handschellen. O. wird im Zimmer seines Chefs verhaftet und durch die Tiefgarage abgeführt. Er ist aufgeflogen.