Viele Tote bei Unruhen in Ägypten - Präsident ruft Notstand aus
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Kairo. In Ägypten hat Übergangspräsident Adli Mansur nach der Eskalation der Gewalt den Notstand ausgerufen worden. Dieser gelte im ganzen Land für einen Monat, hieß es. Bei der Räumung von Protestlagern von Anhängern des gestürzten Präsidenten Mursi wurden Hunderte Menschen getötet oder verletzt.
Blutige Eskalation mit Toten und Verletzten in Ägypten: Nach tagelangem Nervenkrieg hat die Polizei in Kairo die beiden Protestlager von Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi gestürmt. Dabei gab es schwere Zusammenstöße. Die Polizei setzte Tränengas ein, Islamisten gingen mit Steinen auf Sicherheitskräfte los, es fielen Schüsse. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP zählte in drei improvisierten Leichenhallen auf dem Rabaa-al-Adawija-Platz allein 124 Tote.
Über weitere mögliche Opfer an einem anderen Platz in Kairo, der von den Regierungsgegnern besetzt gehalten worden war, sowie bei Ausschreitungen in anderen Landesteilen lagen zunächst keine überprüfbaren Angaben vor. Die Demonstranten sprachen zuletzt von mehr als 2200 Toten und etwa 10.000 Verletzten. Das ägyptische Gesundheitsministerium nannte offiziell die Zahlen von 95 Toten und 874 Verletzten.
Nach Beginn der Räumung kam es am Mittwoch in mehreren Provinzen zu gewalttätigen Übergriffen radikaler Islamisten. Auf dem Sinai stürmten bewaffnete Männer mehrere öffentliche Gebäude. In Oberägypten griffen Islamisten nach Darstellung christlicher Aktivisten drei Kirchen an. In der Innenstadt der Touristenstadt Luxor protestierten rund 300 Demonstranten gegen die Polizeigewalt.
Übergangspräsident Adli Mansur rief am Nachmittag den Notstand aus. Dieser gelte im ganzen Land ab 16 Uhr für einen Monat, hieß es in einer am Mittwoch im Fernsehen verbreiteten Erklärung des Präsidenten. Die Armee wurde aufgefordert, das Innenministerium bei der Wiederherstellung der Sicherheit zu unterstützen.
Zugverkehr von und nach Kairo wurde eingestellt
Das Innenministerium hatte zuvor auch bereits die Einstellung des Zugverkehrs von und nach Kairo angeordnet, offensichtlich um die Bewegungsfreiheit von Protestgruppen einzuschränken. Damit kam der Zugverkehr im Lande weitgehend zum Erliegen. Die Islamisten hatten die Zeltlager in Kairo errichtet, um die Wiedereinsetzung von Mursi zu erzwingen. Das Militär hatte den Präsidenten am 3. Juli nach Massenprotesten abgesetzt.
Die Räumung der Zeltlager in Kairo dauerte am Mittag noch an. Über die genaue Zahl der Opfer herrschte Unklarheit. Die Muslimbrüder, die den Protest organisiert hatten, sprachen von Dutzenden von Toten. Ein Helfer im Lazarett der Demonstranten vor der Rabea-al-Adawija-Moschee sagte der Nachrichtenagentur dpa, bis zum frühen Mittag seien 20 Demonstranten getötet worden. Von den Behörden wurden diese Zahlen nicht bestätigt.
Polizei soll Tränengas-Granaten und Gummigeschosse abgefeuert haben
Ein Großteil der Demonstranten hatte sich in Sicherheit gebracht, als am Morgen ein Großaufgebot der Polizei mit Tränengas-Granaten anrückte. Andere Mursi-Anhänger leisteten jedoch Widerstand. Augenzeugen berichteten, die Polizei habe Tränengas-Granaten und Gummigeschosse abgefeuert. Die Islamisten hätten Steine und Flaschen auf die Polizei geworfen. Ein dpa-Reporter sah, wie Demonstranten im Nasr-City-Viertel auf Polizisten feuerten.
Bei der Räumung des Protestlagers an der Rabea-al-Adawija-Moschee schossen Polizisten und Demonstranten aufeinander. Ein dpa-Reporter hörte am Mittag heftige Schusswechsel direkt neben der Moschee und sah, wie gepanzerte Fahrzeuge der Polizei in die Mitte des Zeltlagers vordrangen. Die Kundgebung auf dem Al-Nadha-Platz in Giza löste sich nach drei Stunden auf. In Nasr-City leistete ein harter Kern weiter Widerstand. (dpa/afp/rtr)
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