Essen. . Die Spitzenkandidaten im Urteil des Manager-Trainers Stefan Wachtel: Während Angela Merkel als verlässliche Kümmerin beim Volk punktet, fremdelt ihr Herausforderer mit der Rolle. Sein Klartext ist nicht gefragt. Die Kanzlerin dagegen “hat von Helmut Kohl gelernt“.
Die SPD beißt sich an der Kanzlerin die Zähne aus – jedenfalls hat der sozialdemokratische Spitzenmann Peer Steinbrück es bisher nicht geschafft, Angela Merkel in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Was läuft da falsch für Steinbrück? Und was macht Merkel alles richtig, dass sie so unangefochten ist? Walter Bau sprach über diese und andere Fragen mit dem Frankfurter Manager-Trainer Stefan Wachtel, der Vorstandsmitglieder von Dax-Unternehmen auf Auftritte und Reden vorbereitet. Wachtels Urteil: Steinbrück ist der richtige Mann am falschen Platz.
Peer Steinbrück kriegt gegen Angela Merkel keine Schnitte. Alle Umfragen sehen die Kanzlerin in fast allen Punkten klar vor ihrem Herausforderer. Was macht Merkel richtig?
Stefan Wachtel: Lassen Sie es mich bildlich ausdrücken: Angela Merkel spielt im richtigen Film. Der Titel heißt: „Ich bin für Deutschland da.“ Und Merkel ist die ideale Besetzung. Sie spielt vieles perfekt: in Argumentation, in Bildern und im Auftritt. Danach werden Kandidaten beurteilt.
Die Bundeskanzlerin als Kümmerin?
Wachtel: Ja, aber das ist es nicht allein. Sie vermittelt den Menschen den Eindruck von Bescheidenheit. Sie nimmt sich zurück. Ihre Botschaft heißt: „Es geht mir nicht um mich. Ich bin für euch da.“
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Sie sagt, dass sie ihr Kanzlergehalt nicht zu niedrig findet, lebt nicht auf großem Fuß, leistet sich keine Extravaganzen. Dazu passt auch ihre Kleidung, selbst die Handtaschen.
Passt ihre Rhetorik denn in dieses Bild? Sie wirkt da ja manchmal etwas ungelenk.
Wachtel: Das mag gelegentlich so erscheinen, tatsächlich hat die Kanzlerin ihre Rhetorik aber nahezu perfektioniert. Sie macht sich permanent mit dem Volk gemein. Sie sagt „Wir kennen ja alle, dass…“ oder „Da sind wir beieinander…“ oder „Sie wissen so gut wie ich, dass…“.
Aber das sind doch Floskeln, leere Worthülsen.
Wachtel: Egal, wie wir es nennen, die Rolle verlangt Formulierungen, die mitnehmen. Viele Wähler mögen keine scharfen Worte, keine Attacken, keine Konfrontation. Das weiß die Kanzlerin. Sie hat von Helmut Kohl gelernt: Politik ist wie Kartoffeln essen – oder kochen…
Man hört aber doch immer, das Klartext gefragt ist, kein Drumherum-Gerede.
Wachtel: Wenn es so wäre, dann müsste Peer Steinbrück ja weit vor der Kanzlerin liegen. Er steht ja ausdrücklich für Klartext. Er redet scharfzüngig, konfrontativ, er spitzt zu. Aber, und das ist die Rückseite: Anders als Angela Merkel, die die Verlässlichkeit in Person darstellt, ist Peer Steinbrück unkalkulierbar.
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Er droht der Schweiz mit der Kavallerie, bezeichnet italienische Politiker als Clowns. Beispiele dafür, dass „Schlagfertigkeit“ nicht zu jeder Rolle passt. Während Merkel das Schiff unaufgeregt steuert, fühlen sich die Wähler bei Steinbrück ständig durchgeschaukelt.
Spielt Steinbrück also, um das Bild wieder aufzunehmen, anders als Merkel im falschen Film?
Wachtel: So ist es. Sein Filmtitel ist: „Ich bin der Peer!“ Sein Film dreht sich um ihn selbst: „Ich habe Recht. Ich kann’s besser. Meine hohen Redehonorare? Na und, ich habe eben den Marktwert.“
Aber die Rolle nimmt man ihm ab, so ist er.
Wachtel: Stimmt. Aber das ist das Problem: Für einen Wahlkampf, in dem es darum geht, Leute für sich einzunehmen, Wähler auf seine Seite zu ziehen, geht es nicht darum, wie Peer ist, sondern was die Wähler wollen. Viele Leute empfinden ihn als Rechthaber. Steinbrück ist kein Diplomat und schon gar kein Menschenfischer.
Und welche Rolle spielt dabei die Partei des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, die SPD?
Wachtel: Das kommt noch hinzu. Die Partei konterkariert den Ego-Auftritt des Kandidaten mit dem Slogan „Das Wir entscheidet“, das komplette Gegenteil von dem, was der Spitzenkandidat vermittelt. Nicht die SPD muss sich dem Kandidaten anpassen, sondern umgekehrt. Ein stimmiges Konzept sieht anders aus.