München. . Im Prozess um die Mordserie der rechten Terrorzelle der NSU gibt es bisher keine Hinweise auf eine konkrete Tatbeteiligung der Hauptangeklagten. Dafür fand sich überraschend eine neue Spur. Eine Zwischenbilanz.

Die Zuschauerreihen im NSU-Prozess sind noch immer gut besetzt. Vor allem junge Leute sitzen dort. Auch auf der Pressetribüne bleibt kaum ein Platz frei. Wenn das Verfahren gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte vor dem Münchner Oberlandesgericht heute in die Sommerpause geht, ist das Gesamtbild, das sich dem Beobachter bietet, diffus. Die Beweisaufnahme um die Neonazi-Mordserie steht erst am Anfang. Doch für die Hauptangeklagte hätte es durchaus schlechter laufen können. Eine Zwischenbilanz.

Beate Zschäpe

Die 38-Jährige ist als Mittäterin an allen zehn Mordanschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ angeklagt. Sie soll für die legale Fassade gesorgt haben. Allerdings: Hinweise auf eine konkrete Beteiligung an einzelnen Taten ergab der Prozess bislang nicht. Zschäpe selbst schweigt eisern. Und der Mitangeklagte Holger G., der im Ermittlungsverfahren einiges über Zschäpes Rolle in der Gruppe ausgepackt hatte, las vor Gericht nur eine Erklärung vor, die ein gutes Stück hinter dem zurückblieb, was er in den Vernehmungen zuvor gesagt hatte.

Heikel dürfte für Zschäpe der Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 am 4. November 2011 werden. In dem Haus lebte sie zusammen mit ihren mutmaßlichen Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Es besteht kaum ein vernünftiger Zweifel daran, dass Zschäpe den Unterschlupf der „Zwickauer Zelle“ nach dem Suizid ihrer Kumpanen angezündet hat. Fraglich ist, ob sie dabei bewusst den Tod dreier unbeteiligter Hausbewohner riskierte. Die Bundesanwaltschaft geht jedenfalls von Mordversuch aus.

Die Mitangeklagten

Carsten S. (33) hat an an acht Verhandlungstagen ausgesagt, mehr als 26 Stunden lang. Dabei schonte der Neonazi-Aussteiger weder sich noch andere. Er gab zu, dass er im Auftrag des Mitangeklagten Ralf Wohlleben eine Waffe zu den drei Untergetauchten transportiert hatte – wahrscheinlich eine Ceska, mit der Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos neun Menschen ermordeten. Und er führte die Ermittler auf eine neue Spur: Möglicherweise verübten die untergetauchten Neonazis bereits 1999 einen Anschlag mit einer als Taschenlampe getarnten Bombe auf einen türkischen Wirt in Nürnberg.

Bilder zum NSU-Prozess

Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU hat begonnen.
Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU hat begonnen. © REUTERS
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird wieder dem Richter vorgeführt.
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird wieder dem Richter vorgeführt. © TA
Mit Zschäpe stehen vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle vor Gericht.
Mit Zschäpe stehen vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle vor Gericht. © REUTERS
Bevor der Prozess fortgesetzt wird, spricht Zschäpe mit ihrem Anwalt Wolfgang Heer.
Bevor der Prozess fortgesetzt wird, spricht Zschäpe mit ihrem Anwalt Wolfgang Heer. © REUTERS
Die Anwälte der Ermordeten werfen den Verteidigern der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vor, den Prozess zu verschleppen.
Die Anwälte der Ermordeten werfen den Verteidigern der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vor, den Prozess zu verschleppen. © REUTERS
Der erste Prozesstag gegen die rechte Terrorgruppe NSU: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ....
Der erste Prozesstag gegen die rechte Terrorgruppe NSU: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe .... © REUTERS
.... betrat ohne Handschellen den Gerichtssaal. Ihr wird ...
.... betrat ohne Handschellen den Gerichtssaal. Ihr wird ... © REUTERS
... die Mittäterschaft an den Morden und Anschlägen der rechtsradikalen Untergrundgruppe vorgworfen. Die beiden mutmaßlichen anderen Mittäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begingen  vor ihrer Verhaftung Selbstmord.
... die Mittäterschaft an den Morden und Anschlägen der rechtsradikalen Untergrundgruppe vorgworfen. Die beiden mutmaßlichen anderen Mittäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begingen vor ihrer Verhaftung Selbstmord. © dpa
Mitangeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorgruppe wie André E., Holger G., Carsten S., der die Tatwaffe besorgt haben soll, und der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben.
Mitangeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorgruppe wie André E., Holger G., Carsten S., der die Tatwaffe besorgt haben soll, und der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. © Getty Images
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Beate Zschäpe mit ihren Anwälten Anja Sturm (r.), Wolfgang Heer and Wolfgang Stahl (l.).
Beate Zschäpe mit ihren Anwälten Anja Sturm (r.), Wolfgang Heer and Wolfgang Stahl (l.). © REUTERS
Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Prozess sind enorm. Das Verfahren gilt als größter Terroristenprozess seit der juristischen Aufarbeitung der linksradikalen RAF.
Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Prozess sind enorm. Das Verfahren gilt als größter Terroristenprozess seit der juristischen Aufarbeitung der linksradikalen RAF. © Getty Images
Hunderte Journalisten aus der ganzen Welt beobachten das verfahren. Im Gerichtssaal selbst ...
Hunderte Journalisten aus der ganzen Welt beobachten das verfahren. Im Gerichtssaal selbst ... © AFP
... sind nur 50 Plätze für Presse vertreter reserviert. Das Verfahren zur Vergabe der Plätze hatte für Proteste gesorgt - und musste nach einem Urteil des Verfassungsgerichtes wiederholt werden.
... sind nur 50 Plätze für Presse vertreter reserviert. Das Verfahren zur Vergabe der Plätze hatte für Proteste gesorgt - und musste nach einem Urteil des Verfassungsgerichtes wiederholt werden. © dpa
Vor dem Prozessgebäude kam es zum Teil zu ...
Vor dem Prozessgebäude kam es zum Teil zu ... © dpa
... tumulartigen Szenen und Demonstrationen gegen rechte Gewalt.
... tumulartigen Szenen und Demonstrationen gegen rechte Gewalt. © AFP
Eine junge, türkischstämmige Frau versucht gewaltsam in die Bannmeile vor dem Gericht einzudringen und wird von Polizisten abgeführt.
Eine junge, türkischstämmige Frau versucht gewaltsam in die Bannmeile vor dem Gericht einzudringen und wird von Polizisten abgeführt. © dpa
Adile Simsek (L), Witwe des von der NSU ermordeten Enver Simsek mit ihrer Rechtsanwältin - die Hinterbliebenen der Terroropfer sind als Nebenkläger vor Gericht vertreten.
Adile Simsek (L), Witwe des von der NSU ermordeten Enver Simsek mit ihrer Rechtsanwältin - die Hinterbliebenen der Terroropfer sind als Nebenkläger vor Gericht vertreten. © REUTERS
Die Anwälte von Beate Zschäpe auf dem Weg ins Gerichtsgebäude:  Wolfgang Stahl, Anja Sturm and Wofgang Heer (von links).
Die Anwälte von Beate Zschäpe auf dem Weg ins Gerichtsgebäude: Wolfgang Stahl, Anja Sturm and Wofgang Heer (von links). © AFP
Die Angeklagte Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten kommen in einem Fahrzeugkonvoi zum Gericht in München.
Die Angeklagte Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten kommen in einem Fahrzeugkonvoi zum Gericht in München. © dpa
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude.
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude. © Getty Images
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude © REUTERS
Proteste gegen rechtsradikale Gewalt vor dem Prozess.
Proteste gegen rechtsradikale Gewalt vor dem Prozess. © REUTERS
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Holger G. hat nur eine Erklärung verlesen. Er gab zu, das Trio Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt über Jahre im Untergrund unterstützt zu haben. Von Mordanschlägen will er nichts gewusst haben. Die anderen Angeklagten, der Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben und der mutmaßliche NSU-Helfer André E., blieben vor Gericht stumm. „Die Atmosphäre zwischen den Angeklagten ist kalt“, sagt G.s Verteidiger Stefan Hachmeister.

Die Ankläger

„Wir sind mit dem bisherigen Verlauf des Prozesses zufrieden“, sagt Bundesanwalt Herbert Diemer. Die Angaben von Carsten S. und Holger G. hätten die Ermittlungsergebnisse bestätigt. Anträgen von Verteidigung oder Nebenklägern widersprechen die Ankläger regelmäßig – meist gibt das Gericht ihnen recht. Das Ziel ist klar: Der Prozess soll sich auf die Vorwürfe in der Anklage beschränken, und nicht dazu dienen, frühere Ermittlungsfehler aufzuarbeiten.

Die Angehörigen

Die Angehörigen der Opfer sind nur noch selten im Gerichtssaal zu sehen. Zuletzt kam Semiya Simsek nach München, die Tochter des ersten NSU-Opfers in Nürnberg. „Langsam habe ich den Eindruck, es geht voran“, sagte sie. Nach dem Mord war ihre Familie selbst ins Visier der Ermittler geraten. Für Simsek ist es wichtig, dass vor Gericht ausgesprochen wird, dass die diese Verdächtigungen haltlos waren.

Der Vorsitzende Richter

Alles in allem hat Manfred Götzl den Saal mit den zahlreichen Beteiligten – meist sind etwa 60 Nebenklage-Anwälte da, dazu die fünf Angeklagten mit ihren Verteidigern und die Vertreter der Bundesanwaltschaft – recht gut im Griff. Wird es zu emotional, beruhigt Götzl die Lage mit einer kurzen Unterbrechung. Eine nicht zu unterschätzende Leistung in dem emotional stark aufgeladenen Prozess. (km/mm/mit dpa)