Berlin/Iserlohn. . Die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Dagmar Freitag (SPD), fordert die Veröffentlichung von Namen aus der jüngsten Doping-Studie. Und zwar nicht nur die von Sportlern. Dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) wirft sie Desinteresse vor.

Mehr Ehrlichkeit im Umgang mit dem Thema Doping fordert Dagmar Freitag, Vorsitzende im Sportausschuss des Deutschen Bundestags, schon seit Jahren. Wir haben mit der SPD-Politikerin aus Iserlohn, selbst ehemalige Leichtathletin, über die Vorwürfe, auch in West-Deutschland hätten Politiker in den 70er Jahren Doping in Kauf genommen oder sogar unterstützt, gesprochen.

Sogar an Jugendlichen sollen Anabolika getestet worden sein. Überrascht Sie das?

Dagmar Freitag: Wer sich schon so lange mit dem Doping-Sumpf beschäftigt wie ich, den überrascht in diesem Zusammenhang gar nichts mehr. Ich halte seit langem fast alles für möglich.

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Prof. Giselher Spitzer, einer der Autoren der Doping-Studie, behauptet, das Bundesinstitut für Sportwissenschaft habe brisante Unterlagen vernichtet.

Freitag: Diesen Vorwurf kenne ich bisher auch nur aus den Medien. Sollte er sich aber bestätigen, wäre das ein Anlass, das Bundesinstitut einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.

Aus dem Osten kennen wir jedes Detail...

Fest steht offenbar: Auch bei uns wurde Doping betrieben. Was muss nun passieren?

Freitag: Die Namen der Beteiligten müssen auf den Tisch, und zwar alle. Es kann doch nicht sein, dass wir in Sachen Doping aus dem Osten alle Fakten über die Sportler, die Substanzen, die Mengen, die Funktionäre und die Trainer im Detail kennen, aber bei uns soll offenkundig Entscheidendes verschwiegen werden.

Das könnte aber auch bittere Konsequenzen haben.

Freitag: In der Tat. Wir werden dann einige Erfolge und einige Sportler und Sportlerinnen neu einordnen und beurteilen müssen.

Doping verjährt nach acht Jahren

Könnte das auch dazu führen, dass Medaillen eventuell wieder aberkannt werden müssten? Schließlich sind die Gewinner von damals noch heute Idole.

Freitag: Die Verjährungsfrist für Dopingvergehen beträgt international acht Jahre. Auch die Athletinnen und Athletinnen, deren Dopingkonsum aus den Stasi-Unterlagen nachträglich bis ins Detail bekannt wurde, haben somit ihre Medaillen und Rekorde behalten.

Hans-Dietrich Genscher (FDP) war damals Innenminister. Er hat Vorwürfe, Druck auf den Sport ausgeübt zu haben, bereits zurückgewiesen.

Freitag: Ein namentlich bislang allerdings nicht genannter Minister wird nach Presseinformationen wie folgt zitiert: „Bringen Sie mir in München Medaillen. Egal wie.“ Und Genscher war im fraglichen Zeitraum Anfang der 70er Jahre der zuständige Minister. Vielleicht muss er seine Erinnerungen noch einmal überprüfen.

Ein „starkes Stück“ von Michael Vesper

Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, kann die aktuelle Aufregung offensichtlich nicht verstehen. Bei der Studie handele es sich ja nur um Spekulationen, sagt er.

Freitag: Das ist schon ein starkes Stück, schließlich ist der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nach Aussagen seines Generaldirektors der Initiator der Studie. Die Forderungen von Medien und Politikern, die Ergebnisse endlich zu veröffentlichen, gibt es ja schon lange. Bestimmte Kräfte haben aber seit Monaten mit Verweis auf Datenschutzprobleme versucht, die Veröffentlichung des Abschlussberichts zu verzögern oder sogar zu verhindern. Es hat den Anschein, dass da nun einige darüber erschrocken sind, was auf den Tisch kommen würde.

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Welche Konsequenzen ergeben sich für den Sport selbst?

Freitag: Der organisierte Sport hat schon Chancen verpasst – beispielsweise eine Bereinigung der Rekordlisten. Die Jahrtausendwende hätte beispielsweise so ein geeigneter, wenn auch später Zeitpunkt sein können, aber entsprechende Vorschläge hatten national und international keine Chance.

Diese vergifteten alten Rekorde hängen doch wie ein Damoklesschwert über jungen Sportlern, weil sie wissen: Sauber sind diese Leistungen niemals zu erreichen. Und da der DOSB zumindest im Moment nur verhaltenes Interesse an den endgültigen Ergebnissen der Studie zeigt, wird es wohl auf die Spitzenverbände ankommen, inwieweit wenigstens diese bereit sein werden, Konsequenzen zu ziehen.

Der Sportausschuss soll noch einmal tagen

Wie geht es nun weiter?

Freitag: Ich habe auf Antrag der SPD-Bundestagsfraktion beim Bundestagspräsidenten eine Sondersitzung des Sportausschusses für den 2. September beantragt. Bisher hat die Regierungskoalition eine solche Sitzung abgelehnt, nun signalisiert aber auch die FDP Zustimmung. Das Parlament hat einen Anspruch darauf, jetzt endlich den ganzen Bericht zu bekommen.