Rom. Das oberste Berufungsgericht Italiens hat die Haftstrafe gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wegen Steuerbetrugs in letzter Instanz bestätigt. Das ebenfalls zuvor gegen den Medienunternehmer verhängte fünfjährige Ämterverbot soll aber noch einmal überprüft werden.
Vier Jahre Haft für systematischen, langjährigen Steuerbetrug. Mit dieser Entscheidung hat das italienische Kassationsgericht die Urteile früherer Gerichte gegen Silvio Berlusconi am Donnerstagabend bestätigt.
Nach siebenstündiger Beratung teilten die fünf Höchstrichter aber auch mit, der bisher auf fünf Jahre lautende Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern müsse neu verhandelt, das heißt verkürzt werden. Insgesamt folgten die Richter damit dem Antrag des Generalstaatsanwalts. Der frühere italienische Ministerpräsident und bis heute faktisch bestimmende Politiker des Landes ist damit zum ersten Mal in endgültiger Weise verurteilt worden – in dem, was er und seine Anhänger als den "Zwanzigjährigen Krieg mit der Justiz" bezeichnen.
Über Jahre Schwarzgeldkonten im Ausland geführt
Nun muss eine neue Kammer des Mailänder Appellationsgerichts entscheiden, wie lange der heutige Senatsabgeordnete Berlusconi von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen bleibt. Der Generalstaatsanwalt hatte in Hinweis auf die einschlägigen Paragraphen zur Wirtschaftskriminalität ein maximal dreijähriges Verbot gefordert. Das hieße – aber nur, wenn das Parlament zustimmt –, dass Berlusconi unter Umständen bis 2016 sein Mandat abgeben muss.
Auch interessant
Die Höchstrichter sahen es mit ihrer Entscheidung als erwiesen an, dass Berlusconi in seiner Eigenschaft als Fernsehunternehmer über Jahre hinweg Schwarzgeldkonten im Ausland angelegt hatte, um "Steuern zu sparen, Politiker zu bezahlen, Ermittler zu bestechen und Zeugen gefügig zu machen". So hatte es das Mailänder Appellationsgericht im Mai festgehalten. Angeklagt war zwar nur die Hinterziehung von 7,3 Millionen Euro, eine weit größere Summe war aber im Lauf des Prozesses wegen Verjährung weggefallen.
Ins Gefängnis muss Berlusconi trotzdem nicht
Die Haftstrafe ist nach Aussagen eines Mailänder Generalstaatsanwalts "sofort vollziehbar". Ins Gefängnis muss Berlusconi gleichwohl nicht: Drei Jahre der Haft werden wegen eines allgemeinen Strafnachlasses von 2006 allen italienischen Verurteilten "geschenkt"; das vierte Jahr wird Berlusconi wegen seines Alters von mehr als 70 Jahren im Hausarrest verbringen.
Während Demonstranten vor dem römischen Justizpalast am Abend die ersten Champagnerflaschen köpften, protestierten Parteifreunde aus dem "Heer Silvios" vor Berlusconis römischem Wohnsitz gegen das "falsche, widerrechtliche Urteil". Italien sei "zum Grab für das Recht" geworden, sagte ein Parlamentsabgeordneter. Um Unruhen vorzubeugen, hatte die Polizei das Gebäude weiträumig abgeriegelt; es kam zum einem Verkehrschaos in der Innenstadt.
Mit dem Urteil vom Donnerstag sind die Richter des Höchstgerichts gerade noch einer Verjährung des Steuerbetrugs zuvorgekommen, die nach fast siebenjährigem Prozess im September eingesetzt hätte.
Berlusconi verfolgte Verhandlung von seiner Wohnung aus
Berlusconi hatte die dreitägige Verhandlung des Kassationsgerichts von seiner Wohnung aus verfolgt. Dort fanden sich nach dem Urteil am Abend auch die Spitzenvertreter seiner Partei ein, um über Konsequenzen zu beraten. Berlusconi selbst hatte vorab angekündigt, auch eine Verurteilung werde keinen Einfluss auf die Arbeit der Großen Koalition und der von ihr getragenen Regierung haben.
Auch interessant
Für berechenbar indes wird Berlusconi gerade in solchen Fragen nie eingeschätzt. Auch hatten "Falken" aus seinem "Volk der Freiheit" angedroht, seine Parlamentarier würden im Fall einer Verurteilung "in Massen zurücktreten" oder es würden die fünf Minister aus der Regierung zurückgezogen. Das hätte den Sturz des vom Sozialdemokraten Enrico Letta geführten Kabinetts und Neuwahlen zur Folge.
Während der Fundamentaloppositionelle Beppe Grillo und seine "Fünf-Sterne-Bewegung" am Donnerstagabend Berlusconi für "tot" erklärten, verlangten erste Politiker des Koalitionspartners, also der sozialdemokratischen Partito Democratico, ihrerseits den Rückzug aus einem Bündnis mit Berlusconis.