Potsdam. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat am Montag seinen schnellen Rücktritt von allen Ämtern angekündigt. Ganz überraschend war es nicht: Der “Deichgraf“ von 1997 hatte schon seit Jahren Gesundheitsprobleme – und diente in Berlin als abschreckendes Beispiel.
Es sollte alles ganz normal aussehen: Bevor Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Montag nach einem dreiwöchigen Genesungsurlaub wieder seinen Dienst antrat, machte die Potsdamer Staatskanzlei noch große Pläne für den „MP“. Dienstag Kabinettssitzung, Donnerstag Start der Sommerreise durch Brandenburg, außerdem Beratungen zum Pannen-Großflughafen BER. Angeblich hatte sich Platzeck gut erholt nach seinem leichten Schlaganfall, den er Ende Juni erlitten hatte.
Doch dann ließ der 59-Jährige am Mittag die Bombe platzen: Überraschend berief er Landesvorstand und Landtagsfraktion für den Abend zu Sondersitzungen ein, wo er seinen Rückzug als Ministerpräsident, SPD-Landeschef und Aufsichtsratschef des Berliner Flughafengesellschaft BER bekannt gab – aus gesundheitlichen Gründen. Schon Ende August wird wohl Innenminister Dietmar Woidke (SPD) das Regierungsamt, später auch die Parteiführung übernehmen.
Trotz aller Pannen der beliebteste Landespolitiker
Eine Zäsur nicht nur für Brandenburg: Elf Jahre war Platzeck Regierungschef, seit 2009 führt er die bundesweit einzige rot-rote Landeskoalition. Als bescheidener, volksnaher Regierungschef, der intern freilich auch mal große Härte erkennen lässt, ist er nach wie vor der beliebteste Landespolitiker – trotz aller Probleme etwa mit dem Großflughafen, Ministeraffären oder Stasi-Querelen.
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Erstmals bundesweit bekannt wurde der SPD-Politiker bei der Oderflut 1997, im Amt des Umweltministers bewies sich der „Deichgraf“ als tatkräftiger Krisenmanager. 2005 wählte ihn die Bundes-SPD zum Vorsitzenden als Nachfolger von Franz Müntefering. Der Sympathie- mutierte zum Hoffnungsträger, Platzeck wurde als nächster SPD-Kanzlerkandidat gehandelt. Doch nach nur 146 Tagen als Parteichef trat er zurück – nach Hörstürzen, Kreislauf- und Nervenzusammenbruch. Platzeck war der Doppelbelastung als Ministerpräsident und Chef einer kriselnden Partei gesundheitlich nicht gewachsen. Nach dem „Warnschuss“, der ihm unter anderem einen Tinnitus bescherte, beschränkte sich der frühere Diplomingenieur auf die Landespolitik.
Platzeck wurde ein warnendes Beispiel für viele
Für Spitzenpolitiker in Berlin ist Platzeck seitdem ein warnendes Beispiel, es mit der gesundheitlichen Belastung nicht zu weit zu treiben. Sie haben Horst Seehofer (CSU) erlebt, der sich durch eine verschleppte Infektion eine Herzmuskelentzündung zuzog, sie haben den vertuschten Schlaganfall von Peter Struck (SPD) in Erinnerung – und manche auch die verheimlichten Erkrankungen von Helmut Schmidt (SPD). Im Stillen haben viele in Berlin Konsequenzen gezogen, ihr Tempo reduziert oder Freiräume geschaffen. Es gibt Minister wie Ursula von der Leyen (CDU), die so oft es geht von zuhause aus arbeiten, andere haben ihre Terminkalender entrümpelt.
Doch alle Tricks helfen nicht, wenn die robuste Konstitution fehlt – wie bei Platzeck. Für ihn wurde es irgendwann wieder ernst: Erst der Ärger mit dem im Januar übernommenen Amt des Aufsichtsratschefs der BER-Flughafengesellschaft, dann bei der Flut im Juni ein neuer Dauereinsatz – vor fünf Wochen erlitt der SPD-Politiker einen leichten Schlaganfall, lag fünf Tage im Krankenhaus. Er ging rasch in den Genesungsurlaub, nicht ohne zu versichern, dass er seine Aufgaben gern wieder voll wahrnehmen würde. Aber seine Ärzte mahnten auch, die Gesundheit nicht weiter aufs Spiel zu setzen. Dass Platzeck womöglich nicht mehr als Spitzenkandidat in die Landtagswahl im Herbst 2014 ziehen würde, hatte sich da schon angedeutet.
Für ein paar Tage galt Steinmeier als Nachfolger
Anfangs sah es so aus, als werde SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier den Ministerpräsidenten beerben. Doch Steinmeier winkte nach ein paar Tagen ab. Die Landes-SPD hatte signalisiert, dass sie nur einen Kandidaten aus Brandenburg akzeptieren würde. Damit lief vieles auf Landesinnenminister Dietmar Woidke (SPD) hinaus, der noch am ehesten das Format für das Regierungsamt hat. Der 51-jährige Agraringenieur aus Forst war erst Umweltminister, dann SPD-Fraktionschef und wurde 2010 Innenminister. Größere Spuren hat der sachliche, aber eher farblose Woidke bisher nicht hinterlassen, bei einer Polizeireform hat er aber einige Führungsstärke gezeigt.
Platzeck ahnte wohl, dass die Nachfolgespekulationen nicht mehr verstummen würden, auch wenn er jetzt weitermachen würde: Mit der Entscheidung, lieber gleich einen Schlussstrich zu ziehen, erspart er seine Partei längere Personaldebatten.