Berlin. Kanzleramtsminister Pofalla hat in der NSA-Affäre restlose Aufklärung der Vorwürfe gegen die deutschen Geheimdienste zugesagt. Er werde alle Fragen klären können, betonte er am Donnerstag. Außerdem wurde bekannt, dass die NSA für das Debakel um die Euro-Hawk-Drohne mitverantwortlich sein soll.

Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) hat in der NSA-Spähaffäre eine hundertprozentige Aufklärung der Anschuldigungen gegen Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst versprochen. "Ich werde heute alle Vorwürfe, die gegen die deutschen Nachrichtendienste erhoben worden sind, zweifelsfrei klären können", sagte Pofalla am Donnerstag vor Beginn einer Sitzung des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) des Bundestags. Koalitionspolitiker äußerten sich vorsichtiger und betonten, die Aufklärung brauche Zeit. Die Opposition will aber nicht warten.

Seit Wochen ist bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern in Deutschland auskundschaftet. Details und Umfang sind aber nach wie vor unklar. Die Opposition beklagt, die Regierung - mit Pofalla als Koordinator der Nachrichtendienste - tue zu wenig für die Aufklärung. Zweifel gibt es auch an der Darstellung von Regierung und Geheimdiensten, sie hätten nichts von der US-Überwachung gewusst.

BND soll NSA-Software genutzt haben

So nutzen der Auslandsgeheimdienst BND und das im Inland operierende Bundesamt für Verfassungsschutz beispielsweise Software der NSA, wie "Der Spiegel" kürzlich offenlegte. Dem Magazin zufolge hat sich der Bundesnachrichtendienst (BND) auch für eine laxere Auslegung von Datenschutzgesetzen stark gemacht, um den Austausch mit den US-Kollegen zu erleichtern. Nach einem Bericht von "Bild.de" stammt diese Information angeblich aus abgehörter Kommunikation der Regierung. Auch diesen Hinweisen will das Kontrollgremium nachgehen.

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Der PKG-Vorsitzende, SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, hatte Pofalla vorab einen 18-seitigen Fragenkatalog geschickt. Schriftliche Antworten habe er bislang nicht erhalten, beklagte er. Falls die Fragen in der Sitzung nicht mündlich zu klären seien, müssten die Antworten innerhalb einer Woche schriftlich nachgereicht werden. "Wir sind sehr unzufrieden mit dem Stand der Aufklärung." Pofalla sei bisher gar nicht in Erscheinung getreten.

Grünen-Politiker Ströbele fordert "endlich die Wahrheit"

Der Grünen-Obmann Christian Ströbele sagte, er habe nicht den Eindruck, dass sich Pofalla mit den Geheimdiensten besonders gut auskenne. Es gebe außerdem Anhaltspunkte, dass auch dem Kontrollgremium bisher nicht die Wahrheit gesagt worden sei. Näher äußerte er sich dazu nicht. "Ich will von der Bundesregierung endlich die Wahrheit wissen", forderte Ströbele. Notfalls müsse Kanzlerin Angela Merkel (CDU) selbst kommen.

Die Union warf der Opposition dagegen Wahlkampfgetöse vor. Oppermanns Fragenkatalog habe erst am Mittwochabend vorgelegen, beklagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). Mehr als 100 Fragen seien nicht über Nacht zu beantworten. Vielleicht sei Pofalla auch nicht der richtige Ansprechpartner. So gebe es Hinweise, dass die deutsch-amerikanische Geheimdienstkooperation unter Rot-Grün ausgeweitet worden sei. Dann müsse das Kontrollgremium den damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) hören.

CSU-Politiker beklagt "Wahlkampfinszenierung"

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), forderte ebenfalls, Steinmeier in das Gremium zu bestellen. Oppermanns Fragenkatalog tat Uhl als "Wahlkampfinszenierung" ab. "Das ist eher das verzweifelte Bemühen eines Zirkusdirektors, der sich Sorgen macht um den Publikumsschwund bei seiner Veranstaltung." Die "Spiegel"-Berichte bezeichnete Uhl als "Pseudo-Enthüllungen" und zog eine Parallele zur einstigen Pleite des Magazins "Stern" mit der Veröffentlichung gefälschter Hitler-Tagebücher.

Der FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff dämpfte ebenso die Erwartungen an schnelle Aufklärung. Er rechne nicht damit, "dass heute sämtliche Informationen da sind". Ein solcher Prozess dauere länger.

NSA soll für Debakel um Drohne Euro Hawk mitverantwortlich sein 

Unterdessen wurde bekannt, dass der umstrittene amerikanische Geheimdienst NSA für die Aufklärungsdrohne Euro Hawk sensible Bestandteile geliefert hat. Aus einem Dokument des Verteidigungsministeriums vom Dezember 2012 geht hervor, dass die NSA für die Verzögerungen an dem Projekt mitverantwortlich gemacht wird. Die Linkspartei erhob den Vorwurf, offenbar sei eine massive Datenweitergabe beim Einsatz der Aufklärungsdrohne an die USA geplant gewesen.

In der Vorlage für Verteidigungsminister Thomas de Maiziere für einen Besuch bei der Hersteller-Firma Cassidian am 10. Dezember 2012 werden die Gründe für die 35-monatige Verzögerung bei der Entwicklung des Euro Hawk aufgelistet. Verwiesen wird nicht nur auf die bekannten technischen Probleme oder witterungsbedingten Verzögerungen. Als Begründung wird auch die "verspätete Beistellung von Geräten und Komponenten durch die US Air Force und die National Security Agency (NSA)" angeführt. Der Abteilungsleiter für Rüstung im Verteidigungsministerium, Detlef Selhausen, hatte auf entsprechende Hinweise aus seiner Abteilung verwiesen und betont, er selbst wisse nicht, um welche Bauteile es sich dabei handele.

Ministerium bestätigt Einsatz von NSA-Lieferungen

Das Verteidigungsministerium bestätigte am Donnerstag, dass es bei den NSA-Zulieferungen um einzelne Komponenten für das aus den USA gelieferte Trägersystem gegangen sei. Dabei handele es sich um die Nutzung von Erprobungseinrichtungen, Kommunikations- und Kryptogeräten sowie Personal. Für den Euro Hawk wird eine vom US-Rüstungskonzern Northrop Grumman entwickelte Drohne als Träger genutzt. Die Aufklärungssoftware selbst wird dagegen von der EADS-Tochter Cassidian entwickelt.

Dafür sei neben dem Entwicklungsvertrag mit der Euro Hawk Gmbh ein ergänzender Vertrag mit der US Air Force und der NSA geschlossen worden, teilte das Ministerium mit. Der Haushaltsausschuss des Bundestages sei im Dezember 2006 über diesen Vertrag unterrichtet worden. Das Ministerium hatte zudem in einem Bericht an den Verteidigungsausschuss vom 5. Juni 2013 aufgelistet, dass am 13. Februar 2007 ein Vertrag mit der NSA über die Lieferung "diverser Verschlüsselungsgeräte" über 230.000 Euro und am 17. Mai 2010 ein weiterer Vertrag über die Lieferung von Verschlüsselungsgeräten in Höhe von 460.000 Euro geschlossen worden seien.

Linken-Politiker: "Euro-Hawk nur mit NSA-Verschlüsselungsgeräten"

"Damit scheint klar, dass offenbar eine Vorbedingung für den Euro Hawk war, dass die NSA Daten aus der Euro-Hawk-Aufklärung bekommen sollte", sagte der Linkspartei-Abgeordnete Jan van Aken. Anders sei die Lieferung von Verschlüsselungsgeräten durch die NSA nicht zu erklären. Van Aken hatte in der Sitzung des Euro-Hawk-Untersuchungsausschusses am Mittwoch nach einer Verbindung der NSA zu dem Drohnen-Projekt gefragt.

Die NSA steht wegen ihres Spionageprogramms PRISM und der umfassenden Datensammlung auch in Deutschland und anderen Ländern weltweit in der Kritik. Am Mittag informierten Kanzleramtschef Ronald Pofalla und die Chefs der deutschen Geheimdienste BND, MAD und Verfassungsschutz den PKG über die Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst. (dpa/rtr)