Berlin. .

Ronald Pofalla war als neuer CDU-Generalsekretär gerade oben angekommen in der Politik, da verriet er fröhlich eine Lebensweisheit: „Kein Problem verschwindet dadurch aus der Welt, dass man es verschlossen hält.“ Acht Jahre und ein Amt später holen ihn seine klugen Worte ein: Der Chef des Bundeskanzleramts steht in der Daten-Spähaffäre unter Druck wie noch nie – wochenlang versuchte er, das Problem durch Schweigen aus der Welt zu schaffen, doch immer neue Enthüllungen über die Rolle deutscher Geheimdienste bringen die Regierung in Bedrängnis.

Buhmann der Koalition

Als Buhmann der Koalition, der angeblich die Regierungsgeschäfte nicht ordentlich managt, galt Pofalla ohnehin. Aber nun steht Merkels Strippenzieher als verantwortlicher Regierungs-Koordinator der Nachrichtendienste wirklich im Feuer. Das Kanzleramt hat die Fach- und Dienstaufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND). Wenn einer in der Regierung weiß, wie die Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA aussah, dann Pofalla.

Trotzdem sah der 54-jährige Jurist zunächst ungerührt zu, wie sich alle Kritik auf Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) richtete. Und wie sich Kanzlerin Angela Merkel noch vergangenen Freitag ganz und gar ahnungslos gab. Doch nach den jüngsten Berichten, der BND nutze etwa eine amerikanische Spähsoftware oder nehme Datenschutzgesetze nicht ernst, herrscht im Kanzleramt Nervosität. Pofalla steht nun im Fokus. Zwar geht der Amtschef, nicht ungeschickt, in die Offensive, sein Auftritt heute im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags (PKG) kommt früher als geplant. Aber das hilft ihm nicht aus seinem Dilemma: Entweder wussten er und die Kanzlerin wirklich nichts von all den Spähaktivitäten — dann hätte er seine Aufgaben als Geheimdienst-Koordinator sträflich vernachlässigt. Wenn Pofalla nun aber doch Kenntnisse einräumt, ist die Frage, warum er das den Kontrolleuren im Bundestag bisher verheimlicht hat. Als Bauernopfer BND-Chef Gerhard Schindler zu entlassen, dürfte kaum reichen.

Schon stellt die SPD-Spitze offen die Frage, ob der Minister im Amt bleiben kann. Klar: Der Sturz von Merkels wichtigstem Mitarbeiter würde auch die Kanzlerin beschädigen. Noch sieht es danach zwar nicht aus – aber wenn weitere Enthüllungen Merkel in Erklärungsnot bringen, wird sie im Zweifel Pofalla opfern.

Die Regierungschefin hat frühzeitig erläutert, dass er in dieser Frage Verantwortung trage, nicht sie: Die Geheimdienstberichte lese schließlich ihr Amtschef. Mit der Rolle als Schutzschild für Merkel ist Pofalla allerdings vertraut. Seit Langem zählt der Chef des CDU-Bezirks Niederrhein zum engen Kreis der Merkel-Getreuen. Schon als CDU-Generalsekretär hielt er ihr den Rücken frei. Als Chef des Kanzleramtes ist er seit 2009 erst recht ihr treuer Helfer.

Fleißig und forsch

Pofalla gilt zwar als trickreich und fleißig, diplomatisches Geschick jedoch geht ihm ab – gerade das bräuchte er aber als Vermittler zwischen den Ministerien. Sein forsches Auftreten ist berüchtigt, bekannt wurde eine Pöblelei gegen Wolfgang Bosbach: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“, schleuderte Pofalla dem Parteifreund entgegen. Doch Merkel hielt zu ihrem loyalen Minister, sie schätzt ihn. Wenn er Glück hat und alles gut läuft, belohnt sie ihn nach der Wahl mit dem Posten des Arbeitsministers, auf den er sich schon 2009 gefreut hatte. Doch dazu müsste der CDU-Politiker erst einmal heil aus der Spähaffäre kommen.