Washington. . Der aussichtsreichste Kandidat auf den Bürgermeister-Posten in New York, Anthony Weiner, ist schon wieder aufgefallen, weil er nackte Tatsachen von sich via Internet verschickt hat. Demokratische Parteikollegen fordern ihn peinlich berührt zum Rückzug auf. Seine Frau, eine Vertraute von Hillary Clinton, hält trotzdem hartnäckig zu ihm.
Manchmal kommt eben alles so zusammen, als hätte es sich der schlechte Geschmack persönlich ausgesucht: „National Hot Dog Day“, der 40. Geburtstag von Bill Clintons privater Praktikantin Monica Lewinsky. Und Anthony Weiner, gesprochen: Wiener. Ein einst hoffnungsvoller Politiker, der unbedingt Bürgermeister in New York werden will, aber seit Dienstag wahlweise ein armes Würstchen ist. Oder die Lachnummer der Nation.
Der Reihe nach: Der rhetorisch beschlagene Demokrat hatte im Sommer 2011 seinen Posten als Kongressabgeordneter an den Nagel gehängt, nachdem er über eine Mischung aus Ego-Macke und technischer Unbedarftheit gestolpert war.
Der Ehemann von Ex-Außenministerin Hillary Clintons engster Vertrauter, Huma Abedin, hatte unterleibsbezogene Handyfotos von sich statt nur an eine außereheliche Gespielin per Twitter an die ganze Welt geschickt. Im nach jeder Schweinigelei gierenden und gleichzeitig verstockt prüden Amerika musste diese Form von „Sexting“ in die Hose gehen. „Wiener“ bedeutet im Amerikanischen nicht nur Würstchen, sondern umgangssprachlich auch Penis.
Weiner streute öffentlich Asche auf sein Haupt
Der Obama-Anhänger Weiner hatte den Faux-Pas erst geleugnet und Computer-Hackern die Schuld gegeben. Als die Lüge nicht zu halten war, streute er öffentlich unter Tränen Asche auf sein Haupt und gelobte therapeutisch unterstützte Besserung inklusive Eheberatung. Im Mai schien die Heilung abgeschlossen. Anthony Weiner bat um Vergebung und kündigte an, im November Michael Bloomberg auf dem Sessel des Bürgermeisters beerben zu wollen. Binnen kurzer Zeit schob sich der Geläuterte in Umfragen an die Spitze.
Da auch der wegen einer Prostituierten-Affäre zurückgetretene New Yorker Ex-Saubermann-Gouverneur Eliot Spitzer wieder auf die politische Bühne strebt, schien sich zu bewahrheiten, was Amerika nachgesagt wird: Nach einer Abkühlphase kriegt (fast) jeder eine zweite Chance. Nur: Weiner benötigt seit Dienstag eine dritte.
Pressekonferenz mit hohem Fremdschäm-Faktor
Eine Schmutzfink-Internetseite („The Dirty“) hatte offenbart, dass der digitale Gliedvorzeiger seine grauen Feinripp-Unterhosen auch da noch heruntergelassen hat, als seine Mea-Culpa-Show im öffentlichen Beichtstuhl längst vorbei war. Unter dem Tarnnamen „Carlos Danger“ (Danger wie Gefahr...) tauschte Weiner bis in den vergangenen Herbst mit einer 22-Jährigen per Online-Chat und E-Mail nackte Tatsachen aus. Während die Gattin mit Baby Jordan daheim saß. Binnen Stunden braute sich über New York ein Medien-Gewitter zusammen.
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In einer Pressekonferenz mit hohem Fremdschäm-Faktor mühte sich der Kandidat um Schadensbegrenzung. „Was ich getan habe, war falsch“, las Weiner ungelenk vom Blatt ab, entschuldigte sich abermals bei den New Yorkern und seiner Frau, die als moralischer Notfalldienst gleich mitgekommen war. Huma Abedin erklärte in aller Breite, wie schmerzhaft der Exhibitionismus des Gatten für sie gewesen sei. Aber: „Es liegt hinter ihm. Ich liebe ihn. Ich habe ihm vergeben. Ich vertraue ihm. Wir schauen nach vorne.“
Parteifreunde machen lieber die Augen zu. Bill de Blasio, Sal Albanese und der Republikaner John Catsimatidis appellieren an Weiner, er möge seine Kampagne endlich aufgeben. „Genug ist genug“.
Notorischer Lügner
Weiner denkt aber (noch) nicht dran. Er setzt auf die Nachsichtigkeit der New Yorker, die auf dem Gebiet erotischer Eskapaden ihrer Stadtspitzen einiges gewohnt sind. Etwa den Auftritt von Alt-Bürgermeister Rudy Guiliani, der erst seine Ehefrau betrog und dann via Pressekonferenz die Scheidung einreichte. Womöglich setzt sich diesmal aber die Einsicht durch, dass Weiner „kein Vertrauen mehr verdient, weil er notorisch lügt“, wie es in einem Online-Forum heißt.